03•08•2023 ••

Lebenstraum Weltumsegelung

Brigitta, 61, ist die Schwester von Heike, die letztes Jahr ein Modeshooting mit ihrer Tochter bei uns gewonnen hat. Als Heike uns die Geschichte ihrer Schwester erzählt hat, die nahezu von einem Tag auf den anderen ihr ganzes Leben in Hamburg aufgegeben hat, um gemeinsam mit dem Mann ihres Lebens (den sie allerdings erst ein knappes Jahr kannte), mit einem Segelboot um die Welt zu schippern, sind wir hellhörig geworden. Wir haben uns Ende Mai per Zoom verabredet: Brigitta in Havanna, wir in München, und haben über das Leben an sich, aber natürlich insbesondere über ihr Leben auf einem Boot gesprochen.


Wie angstfrei bist du?
Ach ja, das ist so ein bisschen geteilt. Also manchmal, wenn alles wunderbar läuft, bin ich wirklich entspannt, denn mein Mann Hannes ist ja auch ein guter Segler. Aber ich bin schon die Bedenkenträgerin und recherchiere im Vorfeld immer über diverse Apps: Wie sieht der Wind aus? Wie hoch werden die Wellen? Und dann gibt es ja die sogenannten „Squalls“. Das sind Regengebiete, die plötzlich ganz, ganz viel Wind mitbringen. Da muss es dann oft sehr schnell gehen, aber in dem Moment ist so viel zu tun, dass ich gar keine Zeit habe, mich mit meiner Angst zu beschäftigen.


Ihr seid jetzt seit zwei Jahren rund um die Welt unterwegs, mit eurem Katamaran „MariaNoa“. Was hat euch damals bewogen, alles aufzugeben und dieses Abenteuer zu wagen?
Vor zehn Jahren hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich einmal so lebe. Ich bin schon immer ein reisefreudiger Mensch gewesen und ich war auch gerne mal abseits der normalen touristischen Pfade unterwegs, aber es war nie mein Traum, auf Weltumsegelung zu gehen. Ich kannte Hannes erst kurze Zeit, da hat er im April 2020 die Diagnose Parkinson bekommen. Sein Arzt hat damals gesagt: Wenn Sie noch etwas Größeres planen, würde ich das eher früher als später machen. Hannes hat dann innerhalb weniger Wochen den Entschluss gefasst, sein Haus zu verkaufen und seinen Job als selbstständiger Architekt aufzugeben, um mit dem Boot auf Weltreise zu gehen, weil das schon immer sein Lebenstraum war. 


Und dann hat er mich gefragt, ob ich mitkomme …


Zuerst war ich schon ein bisschen geschockt. Anfangs habe ich gedacht, ich besuche ihn ab und zu auf dem Boot und fahre immer wieder zurück. Auf der anderen Seite hat es bei uns einfach super gepasst und mir war klar, dass man auf Dauer keine Beziehung führen kann, wenn man sich nur zwei oder drei Mal im Jahr sieht. Dann habe ich angefangen auf YouTube und verschiedenen Segel-Blogs zu recherchieren, wo andere Leute von solchen „Abenteuern“ berichten. Langsam konnte ich mich mit der Idee anfreunden und wusste, ich werde es versuchen …


Und deine Familie und Freunde, wie haben die reagiert?
Da war das Echo sehr geteilt. Meine Mutter war überhaupt nicht begeistert: Oh Gott, wie lange bist du dann weg? Sie ist nicht so der Abenteuertyp und kann schwer nachvollziehen, dass man überhaupt Lust haben kann, so etwas zu machen. Mein Vater war am Anfang auch ein bisschen skeptisch, aber hat sich dann immer mehr für die ganze Idee erwärmt und war bis zu seinem Tod unser größter Fan. Mein Sohn (35) und meine Tochter (37) waren auch nicht besonders angetan von meinen Reiseambitionen. Hannes musste zum Rapport bei meinen Kindern antreten. Beide haben mit dem Segeln so gar nichts am Hut und hatten natürlich viele Fragen und Bedenken, was auf so einer Reise alles passieren kann. Dazu kam, dass ich bald in den Ruhestand gehen wollte und meine Tochter sich erhofft hatte, dass ich mich dann ab und zu um meine kleine Enkeltochter kümmern kann ... Und dann sagt die Oma plötzlich: Tschüss, ich bin jetzt mal weg ...

FTF: Verdrehte Rollen - normalerweise gehen die Kinder auf Weltreise …

Deshalb habe ich am Anfang auch gesagt: Okay, ich lasse zu Beginn die großen Passagen aus und fahre jetzt erstmal mit Hannes nach Frankreich, um mir das Boot anzuschauen. Der erste Törn im März 2021 wäre über die Biskaya gewesen, die im Frühling noch ganz schön tückisch sein kann. Hannes hat das Boot dann mit einem Profiteam nach Lanzarote überführt und ich bin nachgeflogen. Danach haben wir erst einmal für sieben Monate die Kanarischen Inseln zusammen besegelt. Bei der Atlantiküberquerung, von den Kap Verden nach Barbados, habe ich mich noch einmal ausgeklinkt und Hannes hat den Törn mit zwei Freunden zusammen gemacht.


Wie schafft man es als Paar auf so engem Raum ohne Ausweichmöglichkeit, miteinander auszukommen?
Ich bin mit dem Gedanken losgegangen, mir das erstmal anzusehen. Ich hätte ja jederzeit aussteigen können, wenn ich gewollt hätte. Insofern war es auch ganz gut, dass ein bisschen in Etappen zu machen, langsam ranzutasten und einfach zu sehen: Wie kommen wir überhaupt klar?


Ich habe damals auch gesagt, dass ich mir ab und zu eine Auszeit nehmen will, um meine Familie und meine Kinder zu besuchen.


Meine Eltern sind ja nicht mehr die Jüngsten. Leider ist mein Vater auch im letzten Jahr verstorben. Da musste ich ganz spontan nach Hamburg zurück. Dieses Jahr fliege ich sogar im September für 2,5 Monate nach Hause. Wir haben verschiedene Familienfeiern: Meine Enkeltochter wird eingeschult, mein Sohn und mein Neffe heiraten jeweils und Hannes Sohn feiert seinen 30-sten Geburtstag. Hannes kommt etwas später nach.


Habt ihr eine klare Rollenverteilung an Bord? Du Smutje, Hannes der Skipper?
Ja, im Grunde genommen ist das so. Ich koche wahnsinnig gerne und Hannes ist beim Segeln erst mal souveräner. Ich müsste eigentlich auch mehr ran, aber irgendwie bin ich da schon auch bequem, was das eigenständige Segeln des Katamarans angeht.


Natürlich unterstütze ich ihn bei allen möglichen Sachen, die beim Segeln gemacht werden.


Wenn die Segel gesetzt oder eingeholt werden, dann muss halt einer am Steuer mithelfen. Bei unseren Ankermanövern bin ich an der Ankerwinsch, um den Anker zu setzen bzw. einzuholen und wenn wir irgendwo mit dem Schiff anlegen, in einer Marina oder an einer Tankstelle, bin ich für das Auslegen der Leinen und Fender zuständig. Ansonsten kümmere ich mich auch um die Reiseplanung und recherchiere, wie das Procedere beim Ein- und Ausklarieren (Ein- und Ausreiseprocedere beim Zoll und Immigration, wenn man mit einem Schiff einreist) in den verschiedenen Ländern ist, die wir besuchen, wo man ankern und was man sich da Interessantes angucken und unternehmen kann. Hannes als Skipper, kümmert sich um alles, was mit dem Segeln zu tun hat, technische Dinge oder Probleme und um den Papierkram beim Einklarieren. 



Was war denn das gefährlichste Abenteuer auf eurer Reise?
Das Gefährlichste haben wir dieses Jahr im April, als wir in Fort Lauderdale in Florida waren, erlebt. Dort gibt es wunderschöne Kanäle und so kleine Ausbuchtungen, wo man ankern kann. Das Wetter war bereits sehr schlecht vorausgesagt. Es hat wie wahnsinnig geregnet und auf einmal bekam ich eine Tornadowarnung aufs Handy. Da wir kein Radio und kein Fernsehen an Bord haben, habe ich ein paar Freunde, die in Miami leben, angerufen und gefragt, ob sie etwas mitbekommen haben, wo denn der Tornado genau sein wird. 


Und tatsächlich … der Tornado war genau für unseren Standort angekündigt.


Eigentlich sollte man sich an Land irgendwo in Sicherheit bringen, aber leider hatten wir nur noch 15 Minuten Zeit. Das hätte nicht gereicht, um mit unserem kleinen Dingy (kleines Beiboot, Anmerkung FTF) an Land zu kommen und einen geeigneten Unterschlupf zu finden. Wir konnten also nur abwarten und ich habe mich gefragt, was denn jetzt passiert. Die 15 Minuten waren eigentlich schon um, als es sich plötzlich anfühlte, als hätte jemand eine Megadüse angestellt. Mittlerweile hatten wir uns Rettungswesten angezogen und ein paar Sachen in einen wasserfesten Rucksack eingepackt, vor allem mit unseren wichtigen Unterlagen und Handys. Es war so ein starker Wind. So etwas haben wir noch nie erlebt. Wir hatten auch echt Angst, dass die Anker der anderen Boote um uns rum nicht halten und irgendein Boot gegen unseres kracht. Nach drei oder vier Minuten war der Spuk vorbei. Aber wir waren echt geschockt.

FTF: Wenn man eine Weltumseglung macht, erwartet man die gefährlichsten Abenteuer nicht unbedingt beim Ankern … Das Leben ist einfach nicht planbar. Was war denn dein schönstes Erlebnis?
Die Bahamas waren der Hammer, das klare Wasser dort ist wahnsinnig schön. Und man kann überall toll schnorcheln, denn es gibt viele kleine Riffe.


Die Exumas, das Traumgebiet der Bahamas, in dem sich 360 Inseln wie eine Perlenkette aneinanderreihen, sind so wunderschön.


Man springt von einer wundervollen Insel zur nächsten, ein Traum. Das waren bisher meine schönsten Erlebnisse. Ansonsten gibt es natürlich so viel anderes Schönes, was wir auf der Reise erlebt haben, das kann ich gar nicht alles aufzählen. 


Hast du denn manchmal Heimweh nach einem festen Ort?
Das hält sich immer noch in Grenzen. Ich freue mich zwar jedes Mal, wenn ich wieder nach Deutschland fahre, aber wenn ich zu Hause bin, dann freue ich mich wieder auf mein Zuhause auf dem Schiff. Vielleicht kommt ja das Heimweh irgendwann. Wir haben jetzt gerade auf den Bahamas Segler getroffen, die sind seit sieben Jahren unterwegs und die sagen, dass es für sie langsam Zeit wird, dass sie mal wieder ein festes Zuhause haben. An diesem Punkt sind wir noch nicht, es gibt noch so viele Ziele, die wir sehen wollen. Es hängt natürlich viel davon ab, wie lange wir wirklich Spaß dran haben, wie lange die Gesundheit mitspielt. Und mit Parkinson müssen wir dann halt sehen, wie sich das alles entwickelt. Hannes hat einen Traum: Er möchte nach Kiribati. Das ist eine kleine Inselgruppe mitten im Pazifik.


In the middle of nowhere, dahin wollen wir es auf jeden Fall schaffen.




Ihr wollt also um die ganze Welt?
Das ist der Traum, einmal die ganze Welt zu umsegeln. Eigentlich planen wir immer nur ein Jahr im Voraus. Nach unserer Zeit in Belize fahren wir in den Rio Dulce, der in Guatemala liegt, um dort geschützt die Hurrikanzeit bis Ende November, mit einem zwischenzeitlichen Heimatbesuch, zu verbringen. Dann segeln wir runter nach Panama zu den San Blas Inseln. Von dort geht es weiter durch den Panamakanal, was so etwa 1 bis 2 Tage dauert.


Noch einmal ein richtiges Abenteuer und dann sind wir im Pazifik …




Fehlen dir deine Freunde und die Familie?
Ja, im vergangenem Jahr bin ich 60 geworden. Da habe ich meine Familie schon sehr vermisst. Meine Schwestern hatten überlegt, uns zu meinem Geburtstag in Grenada zu besuchen, da lebte mein Vater auch noch und wäre auch gerne mitgekommen. Leider war das noch zur Coronazeit und dann sind sie traurigerweise nicht gekommen. Hannes hatte meinen Geburtstag geplant. Wir waren in einer traumhaften Bucht auf Carriacou. Das gehört zu Grenada. Wir saßen direkt am Strand in einem Restaurant und haben Hummer gegessen. Wie herrlich wäre das erst gewesen, wenn man noch Freunde und Familie dabei gehabt hätte?


Weil wir gerade bei Festen sind: Wie und wo feiert ihr Weihnachten?
Ich war die letzten beiden Weihnachtsfeste zu Hause. Hannes musste ganz alleine feiern. Eigentlich wollten mein Sohn und seine Freundin uns letztes Jahr besuchen. Da hatte ich mich wirklich tierisch darauf gefreut, denn meine Kinder waren bis jetzt noch nicht auf dem Schiff zu Besuch. Zwei Tage vor Abflug haben dann beide Corona bekommen und mussten die Reise absagen. Ich war so traurig, weil wir es uns so schön vorgestellt hatten, was wir alles gemeinsam unternehmen könnten. Plötzlich hatte ich so großes Heimweh, dass ich für die Feiertage nach Hause musste. Das nächste Weihnachtsfest werden wir aber auf jeden Fall zusammen auf dem Schiff verbringen. 



Hast du deine Sachen wegegeben oder hast du alles irgendwo eingelagert?
Also Hannes hat wirklich alles abgegeben, er hat sein Haus, sein Auto und ganz viele Sachen verkauft. Ich habe meine Wohnung möbliert vermietet, da bin ich einfach flexibler, weil ich die Mietverträge befristet abschließen kann. Das gab am Anfang schon eine Sicherheit, weil ich wusste, ich kann zurück, wenn es nicht klappt. Meine ganzen persönlichen Sachen und warme Kleidung konnte ich im Haus meiner Tochter in einem Kellerzimmer abstellen. Die haben ein großes Haus und wenn ich in Deutschland bin, kann ich dort schlafen und habe meine persönlichen Sachen um mich.


Was nimmt man denn auf so eine Reise mit?
Man muss sich natürlich schon arg einschränken, da der Stauraum auf einem Schiff sehr limitiert ist. Zu Anfang hatte ich viel zu viel Kleidung dabei, aber man braucht wesentlich weniger. Ich habe ein paar Kleider, Shorts und Shirts am liebsten ohne Ärmel, und natürlich Badekleidung, Alles andere ist bei den teilweise tropischen Temperaturen unterwegs zu warm. Das Einzige, was ich mir immer regelmäßig aus Deutschland bei den Heimaturlauben mitbringe, sind Hairstyle-Produkte. Da bin ich anspruchsvoll. Ansonsten habe ich für die Küche noch ein paar Utensilien mitgenommen, die ich wichtig finde. Für die Mobilität an Land haben wir uns E-Bikes gekauft, aber letzten Endes können wir die auch nur benutzen, wenn wir irgendwo in einer Marina liegen. Ansonsten haben wir noch Tauch- und Schnorchelequipment für die Entdeckung unter Wasser dabei.


Man braucht nicht viel …



Glaubst du, du wirst, wenn du mal wieder einen festen Wohnsitz hast, etwas von dem Minimalismus, den ihr jetzt lebt, mit in den Alltag nehmen?
Schwierig zu sagen, denn wir wissen ja nicht, in welcher Klimazone wir dann leben werden. Aber was die Energieversorgung angeht, werde ich schon umsichtiger leben. Jetzt produzieren wir alle Energie, die wir benötigen, mit Solar. Da muss man sich schon genau überlegen, was man anstellt. Backofen, Herd und Waschmaschine - alles gleichzeitig geht zum Beispiel gar nicht, dann schalten sich die Batterien ab. Auch mit dem Wasser sind wir sparsam. Unser Süßwasser erzeugen wir mit einem Wassermacher aus Salzwasser. Da muss man schon auf den Verbrauch achten.


Wenn ihr Geburtstag habt, was schenkt ihr euch da?
Ganz zu Anfang haben wir uns auch schon mal was aus Deutschland mitgebracht. Wenn wir uns jetzt beschenken, schenken wir uns Momente. Hannes hat mir zum Beispiel mal geschenkt, dass wir beim nächsten gemeinsamen Deutschlandbesuch in die Elbphilharmonie gehen.


 Ich führe mir einfach immer wieder vor Augen, dass das, was wir gerade erleben, das größte Geschenk ist.




Wer mehr von Brigitta und Hannes lesen will, der geht auf ihren Blog, auf Instagram oder YouTube:
http://sailing-marianoa.de/crew/
http://www.instagram.com/sailing_marianoa/
https://www.youtube.com/@sailingmarianoa2659

Da findet ihr natürlich noch viel mehr Fotos … und Erlebnisse.

Kommentare

Heike
03•08•2023
Ihr Lieben, Was für ein schönes Interview. Ich freue mich sehr, dass ihr Brigitta und Hannes und ihre Geschichte auf eurem Blog hab. Die beiden haben so viel Herzblut und Engagement in ihre Reise gesteckt und sie teilen ihre Erlebnisse und Erfahrungen so gern. Ganz liebe Grüße Heike
FTF, Sabine Fuchs
07•08•2023
Liebe Heike, soviel Mut ist einfach inspirierend! liebste Grüße Sabine

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