28•11•2019 ••

Anmache 50plus

Jeden Tag gehe ich mit unserem Seniorhund die gleiche langweilige, eintönige Hunderunde. Denn er ist so alt, dass ein Ausflug auf angrenzende Felder oder Wälder sinnlos ist.  Vorbei die Zeit, in der wir gemeinsam über laubbedeckte Wege gelaufen sind. So laufe ich also jeden Morgen durch unser kleines, ordentliches Vorortviertel. Weiße Häuschen reihen sich aneinander, die Hecken sind perfekt geschnitten, die Gehwege sind immer gekehrt und wenn der Tag der Müllabfuhr ist, sind die Mülltonnen spätestens um 10 Uhr wieder vom Gehweg weggeräumt. Von genau den gleichen fleißigen Händen, die im Sommer die Hecke akkurat schneiden und im Winter schon um 7 Uhr morgens Schnee räumen. 

Warum erzähle ich das jetzt?


Weil so ziemlich das Spannendste an dieser morgendlichen Runde eine stehengelassene Mülltonne ist.


Eine Herausforderung für unseren blinden Hund und eine Herausforderung für mich, weil ich ihn um dieses Hindernis herumführen muss. 

Das Zweitspannendste ist, wenn mich jemand nach dem Weg fragt. Das passiert in unregelmäßigen Abständen und bringt mich dann oft schon ziemlich aus meiner Fassung, so gewöhnt habe ich mich an diese langweilige Morgenrunde, dass ich sie eigentlich in einer Art Trancezustand absolviere und bestenfalls noch gedanklich meine Aufgaben sortiere.

Und deswegen habe ich auch einen Lieferwagen, der vor zwei Wochen auf meiner Gassirunde neben mir gehalten hat, erst einmal gar nicht beachtet. War ja wieder in meinem schon erwähnten Trancezustand. Aufgewacht bin ich erst, als eine Männerstimme hinter mir hergerufen hat: „Entschuldigung, dürfte ich Sie mal was fragen?“ Ich sortierte also beim Aufblicken schon einmal sämtliche Blumen- und Vogelstraßen in unserer Gegend für eine genaue Wegbeschreibung und antwortete dem „Meister Proper“, denn genau so sah nämlich diese Männerstimme aus: „Ja klar.“ Und er, Mister Meister Proper, schleuderte mir folgende Frage mit einem breiten Grinsen entgegen: 


„Ich wollte Sie fragen, ob Sie mit mir einen Kaffee trinken gehen wollen?“


 


„Waaaaarum?“, war meine Antwort.


Und die kam wirklich wie aus der Pistole geschossen.

„WARUM?“ –  Dass es tatsächlich noch andere Gründe gibt, warum ein fremder Mann eine Frau anspricht, bzw. eine Frau einen Mann, als Meinungsumfragen oder Wegbeschreibungen, hatte ich also nicht mehr direkt präsent. Jetzt weiß ich nicht, ob es meinem Trancezustand geschuldet war, oder meinem fortgeschrittenen Alter, dass ich wirklich mit keinem Gedanken draufgekommen bin, dass mich Meister Proper anmachen wollte. Scheinbar aber habe ich das Thema, dass wir ab einem gewissen Alter für das andere Geschlecht zunehmend unsichtbar werden, für mich so gelöst, dass das Thema Geschlechteranziehung aus meinem nächsten Radar verschwunden ist.

Ich frage mich, wann ich zum ersten Mal an mir bemerkt habe, dass ich die Attraktivität eines Mannes nur noch beobachtet habe und es mich nicht mehr interessiert hat, ob dieser mich auch beachtenswert fand.


Dieses Spiel zwischen den Geschlechtern war so lange ein fester Bestandteil meines Lebens, dass ich es gar nicht fassen kann, dass es sich so unbemerkt davongemacht hat. 


Und ich stelle verwundert fest: Für mich hat es auch etwas wahnsinnig entspanntes, nur noch zu beobachten und dann hin und wieder überrascht zu werden … 

Meister Proper hatte übrigens Humor: 

Auf mein „WARUM?“ antwortete er mit einer hochgezogenen Augenbraue: „Na, weil ich Sie kennenlernen wollte.“ Nachdem ich endlich gecheckt hatte, dass es hier nicht um eine Meinungsumfrage geht und ich ablehnte, meinte er noch, ich solle mir das gut überlegen, denn er wäre Maler und Maler könne man immer brauchen.


Danke für den Tipp. Das werde ich das nächste Mal berücksichtigen …


 

Kommentare

Stylefluesterin
01•12•2019
Oh wie schade... und wie enttäuschend für den tapferen Mann. Denn ihm geht es bestimmt genauso, dass er ab einem bestimmten Alter nicht mehr der Aufreißer vor dem Herrn ist. Vermutlich hat er all seinen Mut zusammen genommen. Aber ich hätte in der Situation genau so reagiert und zunächst erschrocken und (leider) misstrauisch abgelehnt. Um wieder auf die heitere Seite zukommen: Mein hund ist erst 7 Jahre alt und wir gehen jeden Morgen rund um‘s Feld. Aber ich werde die Strecke jetzt ändern, da muss der Hund durch, ob er will oder nicht. Denn die Wohnung braucht dringend einen Anstrich...
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Das freut mich, wenn ich Dir Inspiration war :)))))
Birgit Glaser
01•12•2019
********
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Merciiiii
C._adele
01•12•2019
......es kommt noch besser, über 60 fällt man in die jugendliche Unsicherheit, daß man sich vorsichtig umdreht und schaut, ob wohl hinter dir jemand steht, denn dich meint er sicher nicht. Wenn da niemand steht, sucht man einen Blick in ein Fenster, um sich zu vergewissern, was strahle ich heute aus?? Dem folgt eine lächelnde Antwort, daß er heute sicher noch dir richtige findet, ich wäre es auf jeden Fall nicht !! Kein Mut mehr ?
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Also in meinem Fall, wollte ich definitiv keinen Kaffee trinken gehen... aber wenn es am fehlenden Mut liegt, dann sch.... drauf. Denn wir alle wissen: “Life is short“. Liebe Grüße Sabine
Sandra
01•12•2019
Danke für den witzigen Artikel. Hat mich am heutigen Sonntag grad inspiriert, mir Gedanken zu machen... entweder für die Vorbereitung von ein paar passenden Antworten, falls Mr. Proper mal bei mir ins Quartier fährt, oder um meinen Traum (Hund zu tun) mal in Angriff zu nehmen. Aber erst putz ich mal gründlich die Wohnung... man weiss ja nie, ob Mr. Proper auch Postmann ist ;-) Herzliche Grüss Sandra (51)
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Freut mich, wenn wir den gleichen Humor haben. Gute Idee mit Wohnung putzen :)))))
Christa Lassen
01•12•2019
Wunderbare Geschichte - da schmeckt der Sonntagskaffee noch mal so gut. Mit einem so humorvollen Mann sollte Frau - egal welchen Alters - auf jeden Fall einen Kaffee trinken. Es ist doch herrlich, mal wieder zu spüren, dass man attraktiv oder interessant auf Menschen wirkt. Schau bei der nächsten Gassirunde nicht nur auf die Grashalme, an denen der Hund schnüffelt, sondern in die Augen der Männer, die ihr trefft. Wirst dich wundern und freuen, dass so manches "Blitzen" dort erscheint und dir den Tag versüsst. Ganz liebe Grüsse von einem ftf- Fan aus dem hohen Norden
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Okeeee, ich werde das nächste Mal an deine Worte denken. Ich hoffe, mein Mann liest unsere Kommentare nicht :))))
Annette
01•12•2019
Laaaaaach....das hättest Du vorher wissen müssen dass er Maler ist.. Spaß beiseite..ich finde es auch sehr entspannend jetzt.. wundervollen Tag!
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Ja, wir müssen uns nirgendwo mehr was beweisen... Wunderbar. LG Sabine
Nessa
01•12•2019
Ach, das ist aber mal ein herzerfrischendes Stückchen Lebensbeschreibung! Habe das sehr genossen, danke dafür! Schöne Adventsgrüße von Nessa
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Danke liebe Nessa, für das liebe Kompliment !
Heidi Thompson
01•12•2019
Ein sehr lustiger Artikel, den ich zu 100% nachvollziehen kann - sowohl die "schlafwandlerischen" Senioren-Hund-Gassi-Runden, als auch die Reaktion auf Anmache. Ich bin froh, um unsere Carmen Produktion im Theater, die gerade zur richtigen Zeit kam, als ich auch anfing unsichtbar zu werden (was ich z.T. auch ganz entspannend finde) - bei Carmen sind wir Damen im "Dauer-Koketiermodus" und die Herren testosterongesteuerte Daueranmacher (also wie im richtigen Leben :)). Auch wenn der Modus eine Regieanweisung ist - spielen dürfen wir nach Gusto und zwar altersunabhängig einfach wie es sich auf der Bühne gerade ergibt. Das macht unheimlich Spaß und sorgt für Übung, die man im Ü50 Alltag nicht mehr so häufig bekommt. Nachdem das ganze Leben irgendwie Theater ist: Carmen ist überall, deshalb: "The Stage is yours" :) P.S. Einen Maler kann man in der Tat immer mal gebrauchen ;) Schönen ersten Advent und ganz liebe Grüße, Heidi
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Stimmt, Theaterspielen wäre echt auch noch ne Möglichkeit, das Flirten nicht ganz zu verlernen ... Wunderbaaaar ...
Claudia
01•12•2019
Wie aufregend! Das ist ja ein richtiges Abenteuer! Ist das eine Fortsetzungsgeschichte?
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Aaaalsoooo, ich glaube nicht ;)))
Gabi
02•12•2019
Sind sie nicht herrlich diese kleinen Anekdoten aus dem Alltagsleben und deine ist besonders gut und unterhaltend beschrieben. Kann deine Situation mit dem Hund so nachvollziehen, dass ich einmal sportlicher wirken kann wie mein ehemals quitschfideler Collie hätte ich mir nie gedacht. Viele liebe Grüße aus Wien!
FTF, Sabine Fuchs
02•12•2019
Das Glück wird ja bekanntlich in den kleinen Dingen entdeckt ;) LG Sabine
Karin Austmeyer
05•12•2019
Wunderbar. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe da auch die eine oder andere Begegnung, auf die ich ähnlich reagiert habe und das, obwohl ich alleine bin. Liebe Grüße Karin
FTF, Sabine Fuchs
08•12•2019
Vielleicht das nächste Mal einfach überraschen lassen ;)) LG Sabine

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