Die Buchbotschafterin – Buchtipps #10
Geht es euch auch so, dass ihr gerade sehr gerne hin und wieder in eine ganz andere Geschichte abtaucht? Ich persönlich genieße es sehr, den Geschichten, die das Leben gerade so schreibt, ab und zu mal zu entfliehen. Und deshalb freue ich mich total, wenn wir von Manja – unserer Buchbotschafterin – wieder neue Buchtipps bekommen. Zwei ganz unterschiedliche Bücher, ein Ausflug in eine andere Zeit und ein wunderschöner Ratgeber genau für diese Zeit. Beide absolut lesenswert.
Hier die Buchtipps:
„Die Bagage“ von Monika Helfer, Hanser Verlag, 2020, 159 Seiten
Auf diese österreichische Autorin bin ich aufmerksam geworden durch ein Fernseh-Interview, in dem sie mit ihren jugendlichen 72 Jahren einen wirklich charismatischen Auftritt hinlegte.
Es ist das Jahr 1914: Maria und Josef Moosbrugger leben mit ihren vier Kindern als Kleinbauern in sehr armen Verhältnissen weit außerhalb eines Dorfes in Vorarlberg. Beide stammen aus noch ärmeren Verhältnissen und werden von den Dorfbewohnern nur abschätzig die „Bagage“ genannt. Weit und breit gibt es keine schönere Frau als Maria. Als Josef in den Krieg eingezogen wird, bittet er den Bürgermeister Gottlieb Fink, mit dem er „Geschäfterl“ macht, aber auch ein fast freundschaftliches Verhältnis hat, auf Maria und die Familie aufzupassen und mit dem Nötigsten zu versorgen. Doch bald muss sich Maria seiner immer heftiger werdenden Avancen erwehren. Ein herrlicher Lichtblick wird da die Begegnung mit dem norddeutschen Georg, den es in die einsame Gegend verschlagen hat, und in den Maria sich blitzartig verliebt.
„Die Erinnerung muss als heilloses Durcheinander gesehen werden. Erst wenn man ein Drama daraus macht, herrscht Ordnung.“
Dies ist nur ein grober Umriss der Handlung, die sich auf einmalige Art durch Anekdoten, kurze Erzählungen, ausgemalte Erinnerungen, gewechselte Perspektiven und einem Blick über hundert Jahre zurückentfaltet. Denn Maria ist die Großmutter der Autorin, und Margarete, genannt Grete, die ungefähr neun Monate nach der Begegnung mit Georg zur Welt kommt, wird ihre Mutter werden. Josef war noch zweimal kurz im Fronturlaub daheim, sie könnte also auch seine Tochter sein.
Doch als Josef erst nach Kriegsende wieder heimkehrt, tobt er vor Eifersucht, als auch noch der abgewiesene Bürgermeister ihm gegenüber lügt, Grete wäre von ihm. Josef wird sein Leben lang Margarete niemals anschauen oder berühren.
Das Besondere an dieser Geschichte ist, wie so grundsätzliche Themen wie Liebe und Zugehörigkeit, Vertrauen und Ehrlichkeit verhandelt werden. Man taucht sofort ab in diese Zeit, die von wortkargen Männern, fast rechtlosen Frauen und großer Armut geprägt ist. Monika Helfer beschreibt eindrucksvoll, dass Schönheit auch ein Fluch sein kann. Quasi neben ihrer eigenen Großmutter stehend und sich mit ihr vergleichend, malt sie sich in ihrer Phantasie aus, wie diese 32-jährige Frau mit schließlich sieben Kindern ihr hartes Leben meistert, und was sie wohl über die Liebe gedacht haben könnte.
„Ich weiß nichts von den Träumen meiner Großmutter …“
Und dennoch wandert die Autorin ganz leicht und unbefangen ohne Chronologie durch die Generationen hindurch, so dass besonders die Frauenlinie Großmutter/Mutter/Tochter fast zu einem einzigen Wesen zusammenfließt. So als gäbe es keine Vergangenheit oder Gegenwart.
Auch das Leben der anderen Familienmitglieder wird nach und nach zu Ende skizziert und jede und jeder wird eingefügt in das anrührende Kaleidoskop einer einzigartigen Familie: der „Bagage“. Unbedingt lesen!
Räumt ihr auch gerade so viel zuhause auf? Stellt eure Möbel um, probiert mal neue Kombinationen und Farben aus?
„Fühl dich wohl in deinem Zuhause“ von Frida Ramstedt , Ullstein extra, 2020, 264 Seiten
Die schwedische Innendesignerin und Bloggerin Frida Ramstedt hat in diesem Ratgeber all die Tipps und Tricks gesammelt, nach denen sie selbst gesucht hatte, als sie begann, sich professionell mit dem Einrichten von Räumen zu beschäftigen.
Ausgehend von der Titel-Frage: „Womit fühlen Sie sich wohl?“ nimmt sie uns mit auf ihre gut organisierte Reise ins Innere jeder Wohnung. Die Autorin hat dabei keine super stylishen Lofts oder riesige Altbau-Etagen im Blick, wie man sie aus Architekturzeitschriften kennt, sondern das ganz normale, eher kleine Zuhause.
Auch will sie nicht zum übermäßigen Konsum ermuntern, eher geht es um die Umgestaltung von Bestehendem oder eine punktuelle Ergänzung mit wenig aufwändigen Mitteln. Klingt für mich echt skandinavisch pragmatisch und sehr sympathisch.
Die insgesamt neun Kapitel nehmen vielfältige Themen wie z.B. allgemeine Faustregeln, Farbgebung oder Beleuchtung ins Visier. Man lernt, auf neue Details zu achten und auch jede, die schon länger wohnt, kann hier noch Aha-Erlebnisse haben: Kennt ihr die 2:8-Regel, wenn es um das Verstauen von Dingen geht? Nur 20% sollten sichtbar sein, 80% gehören in verschlossene Schränke, damit das „visuelle Rauschen“ einen nicht immer wieder ablenkt oder sogar richtig stört. Und auch ihre Vorschläge zum Aufhängen von Bildern und Fotografien sind sehr erhellend und abwechslungsreich. Eigentlich ist für jede „Problemzone“ in der Wohnung eine Lösung zu finden. Und sich auch bewusst gegen eine ihrer Regeln zu entscheiden, kann eine perfekte Lösung sein.
Mit kleinen gezeichneten Abbildungen wird der Text ergänzt, Hochglanz-Fotos gibt es nicht. Hier liegt der Fokus ganz auf der Vermittlung von innenarchitektonischem Wissen, und auch wenn Frida Ramstedts Formulierungen manchmal an die einer strengen Lehrerin erinnern, kriegt man sofort Lust, einige der neuen Anregungen gleich mal auszuprobieren … Zeit dafür haben wir alle ja grad genug.
Und ich freue mich schon wieder auf die nächsten Buchtipps von Manja, unserer Buchbotschafterin. Wenn ihr auf der Suche nach speziellen Buchtipps seid, dann meldet euch gerne.
#copyright
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
All rights reserved. Do not use our pictures and content without our permission.
Alle Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne unsere Einwilligung übernommen und verwendet werden.
Kommentare
Wir freuen uns auf deinen Kommentar
*Markierte Felder sind erforderlich • Deine Email-Adresse ist nicht öffentlich sichtbar.
Ausführliche Informationen zur Datensicherheit findest du in der Datenschutzerklärung.