06•03•2021 ••

Die Buchstaplerin #7

Denn sollten wir diesen Kampf, diesen unerbittlichen Kampf zu unseren Gunsten entscheiden, wird es künftig für alle Frauen auf dieser Welt einfacher sein, ihren Kampf zu gewinnen, wenn es so weit ist. Emmeline Pankhurst


Seit 1911 wird am 8. März der Internationale Frauentag gefeiert, an dem auf der ganzen Welt auf die Frauenrechte und auf die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hingewiesen wird. Der erste Frauentag fand in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA statt, um das aktive und passive Wahlrecht für Frauen einzufordern.

Dieses Jahr feiern wir den 110. Weltfrauentag unter dem Motto: „Frauen in Führungspositionen: Für eine ebenbürtige Zukunft in einer COVID-19-Welt.“ Dabei soll deutlich gemacht werden, wie die Pandemie maßgeblich dazu beigetragen hat, alte Rollenbilder zu verfestigen: Frauen kümmern sich mehrheitlich um Haushalt, Kinderbetreuung, Homeschooling und sind ebenso in pflegerischen, unterbezahlten Bereichen überdurchschnittlich vertreten.

Das Zitat von Emmeline Pankhurst stammt aus ihrer Rede zum Wahlrecht für Frauen und ist 111 Jahre alt, doch noch immer ist es wichtig, auf fehlende Gleichberechtigung in vielen Bereichen aufmerksam zu machen - denn 

Frauenrechte sind Menschenrechte!!!


Auch zahlreiche Autorinnen setzen ihr Augenmerk auf die Rolle der Frau in der heutigen Gesellschaft.

 

Bernardine Evaristo hat für ihren achten Roman Mädchen, Frau etc. 2019 als erste schwarze Britin den literarischen Booker Prize erhalten, im Januar ist ihr Buch auf dem deutschen Markt erschienen. Sie erzählt in vier Kapiteln mit je drei Personen, die irgendwie in Beziehung zueinander stehen, vom Alltag schwarzer Frauen in der britischen Gesellschaft. 

 

Zuallererst betritt die Dramatikerin Amma die Bühne, die sich in ihren Theaterstücken und Inszenierungen mit ihrem Leben als schwarze, lesbische Frau auseinandersetzt. Ihrer Tochter Yazz, die sie als „Queen der alten Lesben“ bezeichnet, ist die Extrovertiertheit der Mutter oft peinlich.

Carole macht als Investment-Bankerin Karriere und passt sich in Stil, Sprache und Auftreten immer mehr ihren weißen Kolleg*innen an. Ihre Mutter Bummi, die sich nach dem Tod ihres Mannes mit einer Reinigungsfirma selbständig gemacht hat, kann das Verhalten ihrer Tochter nicht verstehen:

„Sie gestand ihm, wie erschüttert sie gewesen war, als Carole ihr erzählte, sie werde einen Weißen heiraten, es war der Anfang vom Ende ihrer rein nigerianischen Abstammungslinie.“

Shirley ist glücklich mit ihrer Familie, doch von ihrem Job als Lehrerin an einer Brennpunktschule ist sie zunehmend frustriert und ausgebrannt. Zeitweise beneidet sie ihre Mutter Winsome, die mit ihrem Mann ihren Lebensabend auf Barbados genießt. Megan/Morgan bezeichnet sich selbst als genderfrei und pansexuell, worüber sie regelmäßig Vorträge hält:

„…nicht, dass es euch was anginge, mit wem ich schlafe, aber wenn ihr´s unbedingt wissen wollt, ich habe die freie Auswahl, ich decke die ganze Palette ab, jawohl, Kinder, ich habe ausgesorgt!“


Bernardine Evaristo porträtiert noch fünf weitere Frauen zwischen 19 und 93 Jahren. Allen ist gemeinsam, dass sie Probleme und Schwächen haben, ihren Weg finden wollen, oft Kämpfe durchstehen müssen, aber sie sind mit genügend Selbstbewusstsein und wachem Verstand ausgerüstet, um ein gelungenes Leben zu führen.

Es geht um Herkunft und Migration, Familie und Freundschaft, Liebe und Sex, Erfüllung in der Arbeit und im Privaten, um die eigene Identität und um den Mut, zu sich selbst zu stehen. An Evaristos Erzählstil musste ich mich erst gewöhnen, verzichtet sie weitgehend auf Interpunktion und Kennzeichnung der wörtlichen Rede - aber genau das macht den Roman aus: Er ist frech, humorvoll, klug, unkonventionell, leidenschaftlich, rasant, modern - und er zeigt uns Frauen auf, dass wir uns nicht von gesellschaftlichen Konventionen einschüchtern lassen sollen, im Gegenteil: Seid stark und wild und wunderbar!!!



Und zur Feier dieses Tages und für alle Frauen haben wir eine Überraschung für euch:

Wir verlosen drei Exemplare Mädchen, Frau etc. von Bernardine Evaristo. Vielen Dank hierfür an den Tropen Verlag. 

Bei @fuckthefalten auf Instagram könnt ihr eines von drei Exemplaren gewinnen.​ 


Dies ist eine Ode an unser Potential und unsere Möglichkeiten. Alicia Garza


Der bei uns neue Roman Kim JiYoung, geboren 1982 von Cho Nam-Joo ist in Südkorea bereits 2016 erschienen, wurde über eine Million mal verkauft und hat eine längst überfällige Feminismus-Debatte ausgelöst. Heute ist das Buch wichtiger Teil der dortigen #MeToo-Bewegung, es geht um Alltagssexismus und die Selbstverständlichkeit patriarchaler Strukturen.

Cho Nam-Joo erzählt das alltägliche Leben einer koreanischen Durchschnittsfrau klar, schnörkellos und mit statistischen Fakten untermauert: Kim JiYoung ist Mitte 30, lebt in Seoul, ist glücklich verheiratet und Mutter eines gesunden Babys, für das sie ihren Job aufgegeben hat, um sich um die kleine Familie zu kümmern. Alles in bester Ordnung, wären da nicht erste Anzeichen einer psychischen Erkrankung bei Kim zu erkennen: Sie imitiert Stimmen, hört nicht Anwesende sprechen und schlüpft in die unterschiedlichsten Personen. Woher kommen diese Wahnvorstellungen?

Aufgewachsen als zweite Tochter muss sie als Kind bereits miterleben, dass ihre Mutter die dritte Schwangerschaft abbricht, weil sie wieder ein Mädchen erwartet. Erst als der lang ersehnte Stammhalter zur Welt kommt, scheint das Glück der Familie perfekt. Der kleine Bruder ist offensichtlich mehr wert als seine Schwestern, bekommt er doch mehr zu essen und das schönere Zimmer.

In der Schule muss sie sich den strengen Kleidungsvorschriften unterwerfen, während bei den männlichen Mitschülern immer wieder ein Auge zugedrückt wird. Als sie im Schulbus von einem Jungen gestalkt wird, schiebt der Vater ihr die Schuld zu: ihr Rock sei zu kurz. Von der Mutter völlig tabuisiert wird Kim von ihrer ersten Menstruation überrascht und erhält einzig Unterstützung von ihrer älteren Schwester.

Auch Studium und Jobsuche gestalten sich mehr als schwierig: Männliche Mitbewerber werden immer bevorzugt, die Bezahlung ist weit schlechter und ständig trifft Kim auf sexistische Anzüglichkeiten, chauvinistisches Gehabe und patriarchale Strukturen, die ihr ganz klar ihre Grenzen aufzeigen.

Als die junge Frau sich verliebt und heiratet, wird sofort von der Familie ein Stammhalter erwartet und es scheint völlig klar, dass sie ihren Job aufgibt, um sich um das gemeinsame Kind zu kümmern.

Es ist die Chronologie der Ereignisse, die Kim zu einem Menschen zweiter Klasse werden lässt und die sie schließlich in den Wahnsinn treiben.

In einem Interview sagte die Autorin über ihr Buch: 

„Ich wollte über Dinge schreiben, über die Frauen zuvor nicht sprechen konnten, weil sie als selbstverständlich hingenommen wurden, über die Verzweiflung, die Erschöpfung und die Angst, die wir aus keinem anderen Grund spüren, als dass wir Frauen sind.“

Kim JiYoungs Geschichte ist eine universelle Geschichte, denn es gibt nicht nur in Südkorea noch immer genügend Situationen und Bereiche, in denen es nicht gleichberechtigt zugeht. Jede von uns kann die ein oder andere Geschichte erzählen, in der wir Grenzen aufgezeigt bekommen und Alltagssexismus erleben. Umso wichtiger sind derartige Bücher, die Denkanstöße geben und Debatten auslösen, die uns selbst hinterfragen, oft unbequem sind, sensibilisieren und aus diesem Grund neue Türen öffnen können. Genau deswegen wünsche ich Nam-Joos Roman viele Leserinnen, aber unbedingt auch Leser!!

Erschienen im Kiwi Verlag


Glaubt daran, dass eure eine Stimme etwas verändern kann! Maya Lin


Ein spannender Unterhaltungsroman über starke Frauen und familiären Zusammenhalt ist Junge Frau am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid von der Journalistin und Kolumnistin Alena Schröder, inspiriert von der eigenen Familiengeschichte.

Die 27-jährige Hannah lebt in Berlin, irrt orientierungslos durch ihr Studium, hat eine chaotische Liebesbeziehung mit ihrem Professor und kümmert sich um ihre hochbetagte Großmutter Evelyn, die in einer Senioreneinrichtung wohnt. Bei ihrem wöchentlichen Besuch erfährt Hannah zufällig von einem Brief einer israelischen Kanzlei, in dem es um ein Restitutionsverfahren mehrerer verschollener und von den Nazis enteigneter Gemälde geht, die wohl vor drei Generationen im Besitz ihrer Familie gewesen sein müssen. Ihre kratzbürstige und eigenwillige Großmutter weigert sich standhaft, über das Thema mit Hannah zu reden.

Trotzdem macht sich Hannah auf Spurensuche, um mehr über ihre Familie und die wertvollen Bilder zu erfahren:

Rostock 1924: Die 18-jährige Senta wird ungewollt schwanger, heiratet den Vater, einen deutschen Kriegshelden, aber die Ehe ist sehr unglücklich und zerbricht. Ihr Mann willigt in die Scheidung ein, aber nur, wenn die kleine Evelyn bei ihm bleibt, um die sich dann seine alleinstehende Schwester Trude aufopferungsvoll kümmert. Senta geht nach Berlin, fängt dort neu an, arbeitet als Journalistin und heiratet den jüdischen Galeristen Julius Goldmann, aber der Verlust ihrer Tochter bleibt eine nicht verheilende Wunde.

Vielschichtig und raffiniert verwebt Alena Schröder das Schicksal von vier Frauen, vier Generationen und 100 Jahren deutscher Geschichte. 

Es geht um Mutterschaft und Selbstbestimmung, um Berufstätigkeit und finanzielle Unabhängigkeit, um Erinnerungen und Geheimnisse, um Schuldzuweisung und Vergebung - und um Verletzungen, die auch das Leben nachfolgender Generationen beeinflussen können.

Die Autorin erzählt empathisch, aber frei von Kitsch und Klischees und mit viel Gespür für den jeweiligen Zeitgeist, von den Schwierigkeiten ihrer Protagonistinnen, den eigenen Weg zu finden. Dabei unterhält sie mit Herz und Verstand von der ersten Seite bis zum Schluss und hat meine Leseseele auf allen Ebenen erreicht.

Erschienen ist dieses Buch im dtv Verlag


Und eine Frau, die sich nicht in das System einfügt, die versucht, eingefahrene Muster zu durchbrechen, wird als „merkwürdig“, als „unweiblich“ abgestempelt. Shirley Chisholm


All die inspirierenden und nachdenkenswerten Zitate zwischen den Buchvorstellungen stammen aus dem Buch Wenn nicht ich, wer dann? von Anna Russell, wunderbar illustriert von Camila Pinheiro.

Anhand von 50 Reden kluger, engagierter und unerschrockener Frauen der Weltgeschichte wird in dieser Anthologie ihr Leben und Wirken portraitiert.

Chronologisch beginnend 1588 mit Königin Elizabeth I. und ihrer Rede über die spanische Armada bis zur Abschlussrede der Bildhauerin und Architektin Maya Lin 2018 spannt sich der Bogen und erzählt von Politikerinnen, Frauenrechtlerinnen, Umweltaktivistinnen, Juristinnen, Autorinnen und Wissenschaftlerinnen und deren Kampf um Klimawandel, Geburtenkontrolle, Bildung, Wahlrecht, Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und gegen Rassismus und Sklaverei.

Marie Curie, Eva Peron, Ruth Bader Ginsburg, Indira Gandhi, Angela Merkel, Toni Morrison, Michelle Obama und viele andere kommen zu Wort, deren Reden Missstände aufzeigen, Mut machen und Anstöße zu Veränderungen gegeben haben oder immer noch geben. 

Viele Frauen, von denen ich noch nie gehört hatte, haben mich mit ihren Reden und ihrem Engagement begeistert, und es macht große Freude, sich durch dieses Buch treiben zu lassen, Entdeckungen zu machen und sich von der Begeisterung großartiger Frauen anstecken zu lassen!!

Erschienen ist dieses farbefrohe Werk im Sieveking Verlag. Und die wundervolle Illustration hinter diesem Werk findet ihr auch in dem Buch. Gemacht wurde sie von der Illustratorin Camila Pinheiro.

„Wir brauchen keine Magie, um die Welt zu verändern, denn alle Kraft, die wir brauchen, tragen wir schon in uns: Wir haben die Kraft, uns etwas Besseres vorzustellen.“

Lassen wir uns von der Harry-Potter-Autorin J. K. Rowling verzaubern und nehmen diese Kraft mit in unseren Alltag: Wir alle zusammen können durch Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und Wertschätzung schon im Kleinen so ungemein viel erreichen!!!

 

Wir lesen uns!

Eure Buchstaplerin                                                                     

    

Kommentare

Annett
19•03•2021
Vielen Dank für die Vorstellung dieser wunderbaren Bücher. Ich freue mich immer, wenn ich Hilfe im Bücherdschungel erhalte. Die Bücher von Bernadine Evaristo und Anna Schröder sind direkt auf meiner Leseliste gelandet.
FTF, Sabine Fuchs
19•03•2021
Das freut uns liebe Annett. Schönstes Wochenende!!
Die Buchstaplerin
24•03•2021
Vielen Dank, liebe Annett! Erzähle mir gerne, wie Dir die Bücher gefallen haben. Wir lesen uns! Liebe Grüße Corinne
Miriam
30•04•2021
Liebe Ulli, liebe Sabine, vielen Dank für die Bücher-Tipps! Ich habe mich soeben für Anna Russells Buch entschieden und bin schon sehr gespannt darauf. Ganz liebe Grüße, Miriam

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