Hallo mein Schatz – die Scheidungskolumne
Es gibt eine neue Kolumne auf Fuck the Falten. Die Achterbahnfahrt ist vorprogrammiert. Denn neben Kündigung, Krankheit und Tod von Angehörigen gehört eine Scheidung zu den größten Krisen, die uns in unserem Leben ereilen können. Weil wir aus jeder Krise für unser Leben viel mitnehmen können, sind wir wirklich sehr glücklich, dass Janet aka die Süße uns zukünftig an ihrer Berg- und Talfahrt teilnehmen lässt. Hier kommt unsere Pilotfolge und weil es in Krisenzeiten eben keine Regeln gibt, gleich noch Folge 1 ...
Pilot: „The winner takes it all“
Hallo mein Schatz,
was sagst du dazu: Du bist jetzt Teil einer Kolumne. Nein, keine Angst, keine à la Carrie Bredshaw – wie ich Mr. Big suchte, fand und nie mehr losließ. Nein, mehr so wie ich Mr. Schlechtgelaunt losließ und losließ und losließ. Noch besser: Wie ich Mr. Liebe meines Lebens und Vater unserer drei ziemlich erwachsenen Kinder plus Zukunftspläne nach über 30 Jahren an Mrs. Double Income, no kids, no stress, no schlechtes Gewissen verlor – und wie ich – gleich, nachdem ich alle restlichen Einzelteile von mir wieder zusammengesammelt hatte, mein neues Leben zuversichtlich in die Hand nahm. Gleich bedeutet in dem Fall nur 15 Monate später.
The winner takes it all
Weißt du noch ... ja genau, das wird es nicht mehr geben.
„Mach endlich deinen Frieden damit“, hast du mir geschrieben, als ich noch nicht dazu in der Lage war, dich zu sehen oder auch nur deine Stimme zu hören.
„Aber bei dir ist es noch viel schlimmer. Der ist ja noch da.“, hatte Sophie mir gesagt. Kannst du dir das vorstellen – unsere Freundin Sophie, die ihren Mann durch einen Herzinfarkt verloren hat, nicht durch eine Affäre? Und es stimmt tatsächlich: Das Gesündeste für mich wäre ein Kontaktabbruch gewesen. Stattdessen unzählige Absprachen, Regelungen und immer noch gemeinsame Erziehungsarbeit mit dem Pubertisten – naja, gemeinsam ist gut – alleinerziehend war ich bei unserem letzten Kind ja schon lange. Nicht allein, nur alleinerziehend – fürs Protokoll.
Und jetzt – also eben nicht mehr jetzt, sondern seit 15 Monaten hast du also alles: Eine komplett stressfreie Beziehung 300 km von deiner Familie, deiner Vergangenheit und deiner Verantwortung entfernt, das Ganze schön dosiert 10 Tage hier, 10 Tage dort, Homeoffice de luxe und alle Zeit der Welt, dir das Leben aufzubauen, was mal unser Zukunftsplan war.
„Es wird auch für mich nicht leicht.“ – WHAT?
Ja, ist es denn zu fassen! Das toppt ja fast noch den Start-Spruch in dein neues Dasein „Da ist nichts. Das Wochenende in Stuttgart lasse ich mir nicht nehmen.“ Spätestens jetzt müssen wir über etwas sehr Wichtiges reden: den Titel für diese Kolumne. Selbst Titel-Findung unterliegt ganz offenbar einem Prozess.
Als ich die Anfrage vom wunderbaren „Fuck the Falten“-Team bekam (ja, mein Schatz, sowas gibt es wirklich), war deren Vorschlag „Scheidung für Anfängerinnen“. Nun, der gefiel mir gar nicht, denn ich war gerade mal dabei, das Wort „Trennung“ zu denken, ohne direkt in Tränen auszubrechen – du hast schon bemerkt, dass ich von „denken“ sprach – nicht etwa aussprechen, denn das geht heute noch kaum.
Anyway, zunächst musste es also stattdessen „Trennungskolumne“ heißen mit irgendwas vorneweg. Kurz darauf kam Kim aus Berlin zu Besuch – du erinnerst dich sicher, wie gerne wir mit den beiden zusammen waren? Irgendwann haben sie uns besucht und Paul, ihr Mann, erzählte vom Stand der Dinge und sagte „Wir machen uns einfach ein schönes Leben“. Auch die beiden plus Familie brauchten nie viel.
So hatte ich mir das auch immer vorgestellt, so haben wir auch gelebt – und heute verbringst du den ersten Urlaub direkt in New York und bestellst teuersten Wein im Abo.
Phänomenal, aber zurück zu Kim und DER Frage.
„Bist du jetzt endlich wütend?“
Bämmm – würde mein großer Pubertist jetzt sagen. Ich sage: Treffer, denn ich war es noch immer nicht. Und an diesem Abend war der Titel geboren: „Sauer macht lustig – die Trennungskolumne“. Wie gefällt dir das? Früher hättest du gegrinst und auch Team FTF fand das prima. Und dann kam alles anders: Kurz darauf ist meine Mutter gestorben und ich musste alles alleine durchstehen. Alles, was wir bei deiner Mutter damals gemeinsam geschafft haben – vor 21 Jahren mit zwei kleinen Kindern; und bei meinem Vater – vor 26 Jahren mit Still-Baby. Weißt du noch? Aber es gibt ja kein „weißt du noch“ mehr.
Wusstest du, wie das Gehirn quasi vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt? Der Tod meiner Mutter hat die Trauer wieder auftauchen lassen ... die schlimmere Trauer war die, für die es eben keine Trauerfeier gibt und auch keine Kondolenzkarten – nicht sauer und auch nicht lustig. Die Kolumne war in weiter Ferne. Zu der Zeit schienst du sogar mit mir mitzufühlen, zumindest zeitweise.
„Ich bin immer für dich da“, hast du gesagt. Das hätte mich stutzig machen müssen ...
... das Gleiche hattest du mir doch schon mal geschrieben. Warte, war das nicht sogar inklusive „dass ich dich sehr liebe“ und drei Wochen später hast du mich einfach so ausgetauscht? Nein, es hätte mich nicht stutzig machen müssen, denn es war echt und ehrlich gemeint – beide Male.
Alles auf Anfang
Gute zwei Monate ist das jetzt wieder her und nach vielen beruflichen Terminen habe ich eine kleine Auszeit nutzen wollen – und nicht nur wollen: Ich habe es zunächst auch gemacht – Urlaub@home, Freunde getroffen, viel gelaufen, Kultur, Schnee und – ich geb`s ja schon zu – Netflix genossen ... bis ca. zur Hälfte meines Urlaubs. Denn da – wieder einmal plötzlich und unerwartet – kam deine Schock-Nachricht.
Und jetzt muss die Kolumne plötzlich doch „Scheidungskolumne“ heißen.
Und jetzt macht es mich doch stutzig, denn da gibt es offenbar einen neuen Mann, den ich nicht kenne und um Himmels Willen auch nicht um mich haben möchte. Ja, mein Schatz, du hast es geschafft: Ich will dich loswerden; und das so schnell wie möglich. Aber vorher habe ich dir doch noch ein paar Sachen zu sagen – hier in dieser Kolumne mit dem schönen Titel „Hallo, mein Schatz – die Scheidungskolumne.“ Nächsten Monat geht es weiter, also schnall dich lieber an - wir gründen hier gerade eine Selbsthilfegruppe.
Deine Süße
Soweit, liebe FTF-Leserinnen aus dem Real Life einer … ja, was denn?
Neustarterin, Stehauffrau – wer hat einen besseren Namen? Und überhaupt: Wem hier im großen weiten WWW geht oder ging es ähnlich? Welche Filme und Bücher helfen und welche nicht? Wann hört man am besten welche Musik? Hilft weinen? Immer? Und würden wir überhaupt überleben ohne die besten Freunde, Kollegen, Nachbarn ever? Spoiler: nein, würden wir nicht. Apropos Spoiler: Beim nächsten Mal geht es um das, was hilft und da kommt FTF ins Spiel – echt jetzt.
Folge 1: Am Morgen danach – „Sagen Sie meinem Mann …“
Hallo mein Schatz,
heute Morgen wurde ich von meinem Lieblingssender geweckt. Ein Interview lief mit Rudi Cerne, du weißt schon, dem Moderator von Aktenzeichen XY. Er sollte erzählen, welcher Fall ihn am meisten bewegt hat. Und da erzählte er von einer Frau, 39, die nach einer überstandenen Krebserkrankung mit ihrem Mann im Wald spazieren war. Sie stand wohl etwas abseits und so wurde sie durch Zufall Opfer von einem Messerstecher. Kurz bevor sie starb sagte sie den Passanten: „Sagen Sie meinem Mann, dass ich ihn liebe.“ Tja, und da war er wieder, dieser bittere Gedanke: Genau, das würde ich auch in einem letzten Moment sagen – immer noch.
Warum ich dir das erzähle? Na, weil ich gestern noch geschrieben habe, dass du es geschafft hast und ich dich endlich loswerden will.
Morgens, nach dem Aufwachen, fühlt sich das ganz, ganz anders an – immer, jeden verdammten Tag.
Aber es gibt auch Fortschritte: Mein Tag wird heute trotzdem stattfinden.
Deine Süße
Ihr lieben FTF-Leserinnen,
so sieht es mal aus. Glaubt bitte nicht an diesen Käse mit den Trauerphasen. Ja, die gibt es, aber die kommen tageweise, stundenweise und sie gehen hin und her. Wahrscheinlich werden sie irgendwann besser, aber das sieht mir eher spiralförmig aus, als schön geordnet eine nach der anderen. Macht euch einen schönen Tag – das mache ich jetzt auch.
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