Hallo mein Schatz – die Scheidungskolumne #4
Unsere Scheidungskolumne „Hallo mein Schatz“ by Janet aka die Süße hat dieses Mal den Titel „Echt jetzt?“, denn jetzt geht es ums Geld und da fragt sich nicht nur Janet, wie es nach 27 Jahren klassischer Rollenaufteilung (Sie – Familienarbeit und Teilzeit, Er – Karriere) finanzielle Gerechtigkeit geben kann ...
Hallo mein Ex,
du möchtest also unsere Finanzen regeln. Das ist ja spannend … wo fange ich da nur an?
Also, zum Ersten möchtest du ganz klar deine, nicht unsere Finanzen regeln, was von außen betrachtet sicher verständlich ist, wenn … ja, wenn man eben nicht die ganze Geschichte kennt.
Nun, ich kenne sie und du auch. Muss ich noch mehr sagen? Echt jetzt?
Für alle anderen (solche mit altersbedingtem schlechten Erinnerungsvermögen inklusive) legen wir doch mal ein paar Fakten auf den Tisch:
Da gibt es also eine Liebe, eine Beziehung, eine Partnerschaft seit 33 Jahren, davon 26 Jahre Ehe und knapp 25 Jahre Familie. Dann haben wir einen Mann und Familienvater, der sich zum Zeitpunkt seiner Affäre mit folgender Trennung eine Karriere aufgebaut hat und nun exakt 6,5 mal so viel netto rausbekommt wie seine Ehefrau und Mutter der drei gemeinsamen Kinder. Klar, er Vollzeit und Steuerklasse 3, sie Teilzeit und Steuerklasse 5, aber auch klar: er Vollzeit und in der Position, weil sie Teilzeit – aber das nur nebenbei.
Schauen wir uns die Bedingungen mal weiter an ...
Er, also du mein lieber Ex, verteilt seine Arbeitsstunden auf ganz normale Wochentage, zu ganz normalen Arbeitszeiten und das Ganze selbstverständlich im Home Office, wo auch immer er sich im aktuellen Doppelleben gerade befindet. Doch, Schatzi, das ist ein Doppelleben, wenn man die Hälfte seiner Lebenszeit in einer anderen Stadt ein neues Leben aufbaut (und sich wundert, dass man bei dem wochenweisen Hin und Her irgendwie aus der Puste kommt).
Moment, war da nicht ein jüngstes Kind @home und ein eigener Vater, der immer mal Unterstützung braucht? Ach ja, kein Problem – Nr. 1 übernimmt selbstverständlich die Noch-Ehefrau und um Nr. 2 kümmern sich selbstverständlich die 3 gemeinsamen Kinder. Ist das nicht praktisch?
Ok, dann muss die Noch-Ehefrau also irgendwo wohnen, damit der gemeinsame Jüngste auch ein schönes Zuhause hat bei dem ganzen Theater, das sein Vater da losgetreten hat.
Aber könnte sich die Noch-Ehefrau nicht wenigstens verkleinern, also eine bezahlbare Wohnung suchen, den Stadtteil wechseln (weil keine bezahlbaren Wohnungen in Sicht), umziehen usw.?
Doch, klar – sie kriegt halt keine mit dem Gehalt, etwa 4 Gehaltsklassen unter dem, was zu ihrer Qualifikation passen würde. Punkt. Sie arbeitet in Schichten wochentags, am Wochenende, Feiertage und abends schon mal bis Mitternacht. Und sie nimmt parallel wieder freiberufliche Aufträge an, die irgendwie alle weggebrochen waren von jetzt auf gleich durch Corona. Wann war das noch? Ach ja, 3 Monate vor dem Auftauchen von Miss Double Income no kids. Zufälle gibt es aber auch.
Damals hätte sie auch eine Vollzeitstelle haben können, aber da gab es ja noch Nr. 3. Weißt du, das ist der, den du jedes 2. Wochenende siehst, wenn es dir gerade passt und auch, wo es dir gerade passt. Es ist auch der, der alles stehen und liegen lässt, um deinem Vater zu helfen, wenn du mal wieder im anderen Leben steckst. Und es ist der, über den dein Therapeut damals diesen folgenschweren Satz gesagt hat. Weißt du noch? „Einer von Ihnen beiden muss dann wohl gehen – entweder Sie oder Ihr Sohn."
Ist ja auch logisch: Vater kommt mit Sohn nicht klar, Vater möchte nichts ändern, einer muss gehen, also 1+1=2. Ganz einfache Mathematik.
Aber wir waren ja bei den Finanzen …
Nur mal angenommen, man würde das alles einbeziehen? Was wäre dann fair – gesetzlich festgelegte Unterhaltsleistung oder so etwas wie eine Ausgleichszahlung oder Wiedergutmachung vielleicht?
Könnte man nicht einfach mal alle geleisteten Familienstunden über inzwischen 27 Jahre in Arbeitsstunden umrechnen? Das ist doch mal eine spannende Frage.
Während du dich wie immer bestens informiert und vorbereitet hast, war ich doch tatsächlich mit Schadensbegrenzung beschäftigt – Ergebnis: tolle Projekte und Aufträge in Sicht, evt. eine zusätzliche Teilzeitstelle (klar, befristet – was sonst), aber keine unbefristete Vollzeitstelle. Und jetzt möchtest du also unsere Finanzen regeln.
Echt jetzt?
Deine Ex
Scheidungskolumne #4 – Nachtrag:
Hallo mein Ex,
ich wollte es nicht. Echt nicht. Ich wollte den Text über das Finanzthema so stehen lassen, ohne Nachklapp – wirklich. Aber es geht nicht und weißt du auch, warum? Da gibt es diese wunderbare FTF-Community da draußen und denen muss, möchte, will ich etwas mitgeben:
Ladys, gebt nie niemals auf!
Während du, mein lieber Ex, dein schnuckeliges neues Bequem-Leben aufgebaut hast und mich parallel mit Finanzthemen und Null-Erziehung unseres Juniors an den Rand des Wahnsinns getrieben hast, habe ich den Rest gewuppt. Ergebnis: Jetzt habe ich zwei feste Teilzeitstellen (= 100% = 100% Unabhängigkeit) und zwei wunderbare Kollegenteams, mehrere tolle Männer aus dem echten Leben um mich (was daraus wird, wird man sehen) und einfach mal komplett mein Leben zurück – Eis mit Stephan auf der Stadt-Piazza, Feierabendbier mit Thomas am Fluss, Cappuccino mit Jörg im Lieblings-Café, Ausflug im Cabrio mit Stephan, Sommerfest bei Nathalie und Holger (tolle Leute dort kennengelernt), Jazzkneipe mit Feierfreunden und Abtanzen beim Stadtfest mit Biene und Andreas.
Echt jetzt? Ja, ganz echt – ich habe eine Liste mit Namen und Pseudonymen für diese Kolumne, damit ich nicht den Überblick verliere.
Mein neues Motto heißt übrigens „Nicht um jeden Preis“ und das alles wäre vor einem Jahr nicht möglich gewesen.
Deshalb, Ladys da draußen im großen weiten www: Nehmt euch die Zeit, die ihr braucht und dann holt euch euer Leben zurück. Echt jetzt.
Ach ja … mein Ex, dich habe ich ja ganz vergessen …
Verdammt gutes Zeichen, findest du nicht?
Deine Exe (gefällt mir gegendert noch besser)
DAS KÖNNTE DICH AUCH INTERESSIEREN...
#copyright
© FTF, Sabine Fuchs und Ulrike Heppel
All rights reserved. Do not use our pictures and content without our permission.
Alle Fotos und Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne unsere Einwilligung übernommen und verwendet werden.
Kommentare
Wir freuen uns auf deinen Kommentar
*Markierte Felder sind erforderlich • Deine Email-Adresse ist nicht öffentlich sichtbar.
Ausführliche Informationen zur Datensicherheit findest du in der Datenschutzerklärung.