27•06•2018 ••

Heldin deines Lebens

Heike Klümpen-Hilgart

Ich denke, jede von uns war schon einmal in der Situation, in der man das Gefühl hat, alles ist irgendwie zu viel. Man möchte sich am liebsten einfach verkriechen und gar nicht mehr aufstehen. Wir gehören ja der ersten Generation von Frauen an, die so richtig Karriere machen konnten und ganz nebenbei auch noch die Familie managten und die Kinder großzogen oder großziehen.

Und weil das alles noch nicht genug ist, lässt man sich gerne noch zum Elternbeirat wählen und hebt wie selbstverständlich die Hand, wenn es um die Vergabe von Buffetbeiträgen zum Schulsommerfest geht. Die Präsi für den Großkunden kann ja auch noch in einer Nachtschicht erledigt werden. Klar, das machen wir doch alles mit links. Überhaupt kein Thema!

Und damit man bei all diesen Aufgaben ein gutes Bild abgibt, gehen wir regelmäßig ins Fitnessstudio, zum Friseur, zur Pediküre, zur Maniküre und organisieren am Wochenende ganz nebenbei eine Gartenparty – natürlich ohne fremde Hilfe. Selbstgemacht schmeckt es doch am besten. Und dann wundert man sich, wenn die schier unerschöpflichen Batterien sich ganz plötzlich nicht mehr selbst reloaden. Kommt euch das alles bekannt vor? Mir sehr!

Genau zu so einem Zeitpunkt von „völlig leeren Akkus“ lerne ich Heike kennen, über unsere gemeinsame Freundin Janine. Und Heike hat genau dazu, zu all diesen angestauten Verhaltensmustern, ein Buch geschrieben. Nachdem ich es gelesen und mich in so vielen Seiten wiedergefunden habe, weiß ich, ich will mich unbedingt mit Heike unterhalten.

In unserem Lieblingscafé Two in One im Herzen von Schwabing treffe ich also Heike Klümper-Hilgart zu einem Gedankenaustausch und Interview. Heike ist heute – nach 20 Jahren in der Modebranche – Beraterin, Texterin und Autorin des Buches „Powerpausen für Powerfrauen“. Darin beschreibt sie sehr anschaulich, was geschehen kann, wenn man pausenlos durch sein Leben rast. Ihr Plädoyer: Pausen sind keinesfalls ein Zeichen von Schwäche, sondern viel mehr der Ausdruck eines liebevollen und fürsorglichen Umgangs mit sich selbst. Leider erkennen wir das oft erst viel zu spät. 


„Nichts bringt uns auf unserem Weg besser voran als eine Pause.“ (Elisabeth Barrett Browning, 1806 – 1861, Englische Dichterin)


Uli: Heike, was hat dich bewogen, dein Buch „Powerpausen für Powerfrauen“ zu schreiben und auch so zu benennen? 

Heike: Gemeinsam mit dem Verlag hatten wir damals ganz verschiedene Ideen und Ansätze. Schlussendlich haben wir uns für ein Wortspiel mit Widersprüchen entschieden. Heute – und nach den Erfahrungen der letzten Jahre – würde ich das Buch wahrscheinlich anders betiteln. Eher in die Richtung von „Mehr Pausen für deinen Erfolg“ oder „Mehr Pausen für dich“ oder „Zeit für dich“. Ich merke, dass der Begriff „Power“ gerade überforderte oder dauergestresste Menschen, die sich ihrer Situation bewusst sind und aktiv etwas dagegen unternehmen können, nicht unbedingt anspricht. Menschen, deren Akkus zwar leer sind, deren Uhr aber noch viertel vor zwölf und noch nicht fünf vor oder gar fünf nach zwölf anzeigt, fühlen sich eher angesprochen, wenn man das Thema über „Erfolg“ oder „Gesünder Leben“ definiert. Natürlich muss man klarstellen, dass mit Erfolg bei weitem nicht nur der berufliche Erfolg gemeint ist. Aber dann werden sie richtig hungrig auf dieses Thema ...

Ich glaube, der Inhalt des Buches ist sehr wichtig und kann vielen Frauen in Stress- oder Belastungssituationen helfen, gar nicht erst in eine burnout-artige Krise zu geraten. Es ist eine Art Prävention, um „erfolgreich leben zu können“. Schließlich kann man auf Dauer nur dann erfolgreich sein, wenn man möglichst viel Energie hat und in Balance bleibt. Das wiederum schafft man nur, indem man regelmäßig Pausen einlegt.

Uli: ​Hat das Buch einen persönlichen Hintergrund?

Heike: Ja, das hat es. Ich selbst war jahrelang auf der Überholspur des Lebens unterwegs und habe immer versucht, meinem eigenen Anspruch, der ehrgeizigen und erfolgreichen Powerfrau, gerecht zu werden. Ich war fasziniert von meiner eigenen schier unbegrenzten Energie und paradoxerweise war ich auch noch stolz darauf, über eine scheinbar unerschöpfliche Leistungsfähigkeit zu verfügen. Über die Zeit bürdete ich mir mehr und mehr auf,  glaubte, immer alles auch für alle anderen regeln zu müssen und fühlte mich außerdem noch für Vieles – wie z.B. den Haushalt – allein verantwortlich. Wenn mir dann mal Hilfe angeboten wurde und ich diese Hilfe sogar annehmen konnte, war ich genervt, wenn die Dinge nicht so erledigt wurden, wie es meiner Vorstellung entsprach.

Die Bedeutung von Pausen habe ich bei all den Herausforderungen des Alltags komplett unterschätzt. Die Rechnung dafür kam natürlich unweigerlich. Ich war ständig müde, setzte mich aber gleichzeitig selbst unter Druck, immer weiterzumachen. Es gab einfach kein Entkommen aus dieser Tretmühle. Die Symptome, also die Signale meines Körpers, habe ich einfach ignoriert - bis eines Tages dann einfach gar nichts mehr ging ...


Heute weiß ich, dass es auch anders gehen kann.


 

Uli: Was oder wen möchtest du mit deinem Buch erreichen?

Heike: Im Prinzip sind es die Frauen unserer Generation. Die Frauen, die zum ersten Mal wirklich die Möglichkeit hatten, sich neben Familie und Haushalt auch beruflich zu verwirklichen. Wir fühlen oder fühlten uns doch als eine Art „Powerfrauen“ – wobei dieser Begriff durchaus kontroverse Gefühle in mir hervorruft –, denen die ganze Welt offen steht.

Mir geht es tatsächlich darum, die Frauen abzuholen, die beides im Leben vereinen möchten: Kinder und eine berufliche Karriere. Viele von uns müssen das inzwischen aus den unterschiedlichen Gründen sogar. 

Eigentlich haben wir ja alle Freiheiten, weil wir super gut ausgebildet sind. In dieser Hinsicht stehen wir den Männern in nichts nach. Aber viele von uns wollen auch „Mutter sein“. Das ist ja auch etwas ganz Intrinsisches. Dann stehen wir vor der Herausforderung, beiden Rollen gerecht zu werden, ohne selbst dabei auf der Stecke zu bleiben – zumal wir Frauen uns gerne den Schuh anziehen „für alles verantwortlich zu sein“.

Mir ist es ein großes Anliegen, dass diese Frauen erst gar nicht in eine energielose Phase kommen. Es muss nicht sein, dass die Akkus leer sind, wenn man sich regelmäßig seine kleinen Auszeiten nimmt. Am besten gewöhnt man sich schon in jungen Jahren bestimmte Rituale oder Routinen an, die einem gut tun und plant feste Zeiten für Sport und zum Abschalten ein. Das wird immer wichtiger in unserer schnelllebigen Zeit. Ich glaube, dass die heutige Generation der jungen Erwachsenen das schon besser verstanden hat als wir.

Uli: Und hast du denn die richtigen Pausen für dich gefunden? Und wenn ja, wie sehen die aus? 

Heike: Ich glaube, dass ich heute besser und früher auf meinen Körper höre. Ich erkenne meine Grenzen und weiß, was mir gut tut und was nicht. Dann versuche ich, rechtzeitig gegenzusteuern. Eine Pause kann dabei ganz unterschiedlich aussehen. Bewegung oder Ruhe, ein Mittags-Walk oder einfach eine Tasse Tee im Garten. Ab und zu gönne ich mir auch einen Powernap. Außerdem habe ich feste Zeiten für Sport, die mir beinahe „heilig“ sind. Alles in allem achte ich heute wirklich darauf, regelmäßig Pausen zu machen. Gelingt mir das immer? Nein, natürlich nicht. Aber immer öfter. Selbst wenn ich mich ab und zu dabei ertappe, dass ich vertieft in einen Text oder fasziniert von einem Thema, die Zeit vergesse, unterbreche ich (beinahe) sofort, stehe auf, gehe raus oder mache etwas ganz anderes. Und ich merke, wie gut mir das tut. 

Pause machen, das ist Urlaub für Körper, Geist und Seele. Das sind kleine Auszeiten vom Job, von der Familie, von mir selbst. Das ist Zeit für mich. Manchmal reichen kurze fünf bis zehn Minuten für meine innere Einkehr, für meine Power. Um Kraft zu tanken und die Energiereserven aufzufüllen. Um fit zu sein für die nächste Aufgabe, die neue Herausforderung oder einfach nur für mich.

 

Uli: Was hat sich für dich dadurch verändert? 

Heike: Das Beste ist, dass ich mir selbst noch ein Stück näher gekommen bin und mich noch ein bisschen besser verstehe. Ich lerne, meine Grenzen zu akzeptieren und versuche, weniger „hart“ mit mir selbst zu sein. Mich öfter mal zu behandeln, als ob ich meine beste Freundin wäre ... Vielleicht liegt es aber auch einfach an der Lebensphase, in der wir sind.
Du kennst doch sicher die Maslowsche Pyramide, oder? 

Wir sind jetzt in der Mitte des Lebens und haben viele Dinge erreicht. Wir haben ein Dach überm Kopf, sind finanziell abgesichert und meist sind die Kinder aus dem Gröbsten raus. Auch unser Ego ist durch unsere Karrieresteps und durch den Job weitgehend befriedigt. Dann kommen jetzt vielleicht tiefgründigere Bedürfnisse auf und die Frage nach dem Sinn stellt sich. Was mache ich hier? Welchen Beitrag leiste ich? Was bleibt von mir, wenn ich mal gehe? Was möchte ich, dass die Leute über mich sagen? Zu diesen Fragen nach Sinn und Ziel gibt es übrigens auch die eine oder andere Übung in meinem Buch. 


„Die Dinge loslassen bedeutet nicht, sie loszuwerden. Sie loslassen bedeutet, dass man sie sein lässt.“ (Jack Kornfield, Amerikanischer Autor)


 

Uli: Welche Erfahrungen hast du mit oder durch dein Buch gemacht? Hat das Buch deine Einstellung zum Leben verändert? Und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Heike: Als kreativer Mensch liebe ich es, Dinge zu schaffen. Ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen war eine weitere Form, mich kreativ auszudrücken. Schreiben hat mir schon immer viel Freude gemacht. Aber fast noch spannender fand ich, was das Schreiben mit mir gemacht hat. Sicher lag das auch an dem Thema, das ja durchaus einen autobiographischen Touch hat. In diesem Buch findet sich viel von mir. 

Ich hätte große Lust, ein weiteres Buch zu schreiben. Am liebsten zum Thema „Loslassen“.

Vor allem, weil Loslassen in jeder Lebensphase so eine elementare Rolle spielt. Das fängt doch schon mit der Geburt an. Da musst du das erste Mal loslassen – egal, ob als Baby oder als Mutter. Wenn du Laufen lernst, musst du loslassen, wenn du arbeitslos wirst, wenn eine Partnerschaft endet oder du einen Menschen verlierst, wenn du umziehst, den Job wechselst usw. Du musst auch in ganz kleinen Dingen loslassen – jede Entscheidung ist im Prinzip Loslassen. Ich finde, das ist ein wahnsinnig spannendes Thema. Warum fällt uns Loslassen so viel schwerer als Festhalten? Wir sind ja von Natur aus Jäger und Sammler. Offenbar sammeln wir alles im Leben und können nur schwer etwas loslassen. 

Gerade deshalb ist es ganz wichtig, sich zumindest einmal im Jahr zu fragen: Wer oder was passt noch zu mir und zu meinem Leben? Wer oder was tut mir nicht mehr gut? Was sollte besser gehen? Und dann sollte man das auch gehen lassen. Loslassen eben.


"Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen." (Max Fritsch, Schweizer Schriftsteller)


Uli: In deinem Buch gibt es ein Kapitel ‚Von Zielen, Träumen und Visionen‘. Was sind denn deine Ziele, Träume und Visionen?

Heike: Ah, das ist eine schöne Frage! Wir haben im Vorgespräch mal kurz über „Zufriedenheit“ gesprochen. Das ist eines meiner ganz großen Ziele. Früher dachte ich, mein Ziel sei, ein ‚glückliches Leben‘ zu führen. Doch heute glaube ich, zufrieden zu sein, mit dem was man hat, geht noch ein ganzes Stück weiter. Vor allem kann ich meine Zufriedenheit selbst besser steuern als Glück. Es ist ein Geschenk, wenn man lernt, stolz auf das zu sein, was man im Leben erreicht hat. Manches ist vielleicht Zufall, aber oft sind es ja auch Dinge, die wir durch unserer eigenen Hände Arbeit erreicht haben. Selbst wenn sich das vielleicht jetzt so anhört wie ein Spruch einer Achtzigjährigen, aber dieses Gefühl der Dankbarkeit und Zufriedenheit, das ist mir wichtig. Ein bisschen „leben und leben lassen“. Meistens habe ich das Gefühl, ich bin auf einem ganz guten Weg dorthin. Nicht darauf achten müssen, irgendjemanden zu gefallen, sondern ganz ICH sein. Ich möchte einfach mit dem zufrieden sein, was ich mir geschaffen habe. Und dann stelle ich mir vor, das ist Leichtigkeit und innere Freiheit und es passt alles.

Liebe Heike, ich danke dir ganz herzlich für dieses tolle Gespräch. Ich bin davon überzeugt, dass du unbedingt dein nächstes Buch über das Loslassen schreiben solltest oder musst und wir freuen uns sehr darauf.

 

Buchhinweis: Powerpausen für Powerfauen, Heike Klümper-Hilgart, Sorriso Verlag, 16.95 Euro.

Oder unter info@words-and-soul.com

Kommentare

Susanne
30•06•2018
Danke schön ihr Lieben für dies tolle Interview! Es erinnert mich daran, dass auch kleine Unterbrechungen schon gut, und vor allen Dingen machbar, sind. Liebe Grüße Susanne2
FTF, Uli Heppel
01•07•2018
Liebe Susanne, das ist wohl wahr und leider vernachlässigen wir uns selbst zu oft. Schön, wenn dich dieses Interview daran erinnert und du besser auf dich achtest. ♡ Uli
Claudia
02•07•2018
Vielen Dank für dieses inspirierende Interview. Ich liebe Euren, Blog und er ist für mich immer eine kleine Auszeit am PC. Lustigerweise habe ich mich gerade die letzte Zeit immer wieder gefragt, wie Ihr das alles schafft. Arbeit, Kinder und dann noch dieser wunderbare Blog. Dei Anforderungen sind schon heftig, mit denen wir Frauen konfrontiert sind. Arbeit (das wird dort ja auch nicht entspannter, ganz im Gegenteil, immer verrrückter, schneller etc.), Kinder, Familie, Eltern usw. Ich bin mal auf das Buch gespannt ... das muss ich lesen!
FTF, Uli Heppel
02•07•2018
Liebe Claudia. ich denke an Pensum stehst du uns sicher in nichts nach. Du bist doch auch eine dieser Powerfrauen, bei der der Tag 26 Stunden hat. Und genau deshalb kann ich dir das Buch sehr ans Herz legen. Mir hat es wirklich sehr interessante Aspekte aufgezeigt und mich auch sehr nachdenklich gestimmt. Ich wünsche dir eine pausenreiche Woche. Dein ♡ Uli

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