Jetzt mach aber mal einen Punkt!
Neulich Abend habe ich mir also ein schönes Notizbuch und meinen Lieblingsfüller geschnappt. Ich hatte ganz plötzlich Lust, einen Beitrag mit der Hand zu schreiben – nicht den Text in das Laptop zu klopfen, sondern ganz bewusst, Buchstabe für Buchstabe aufs Papier zu bringen. Ich begann zu überlegen, wann ich denn das letzte Mal einen Brief mit der Hand geschrieben habe. Ich meine einen richtigen Brief, nicht an meinen Vermieter, ans Finanzamt oder einen Einkaufszettel, sondern an einen lieben Menschen. An einen Freund, an meine Eltern oder vielleicht sogar an mein Kind. Das Problem ist einfach:
Solche Briefe schreibt man nicht mal schnell so. Dazu muss man sich ganz bewusst Zeit nehmen und braucht auch die richtige Muße.
Als ich so dasaß, kamen mir plötzlich die Briefe meiner Brieffreundschaften aus meiner Jugendzeit in den Sinn. Was war das für ein aufregendes Gefühl, wenn man aus der Schule kam und einen Brief vorgefunden hat. Man konnte sie meistens schon auf den ersten Blick identifizieren. Sie waren in farblichen Umschlägen, mit krakeliger oder besonders schöner Schrift adressiert und über und über mit Stickern oder kleinen Zeichnungen übersäht. Oft hat man das Öffnen des Briefes noch hinausgezögert, einfach, um länger dieses aufregende Gefühl zu genießen. Wenn die Spannung dann unerträglich wurde, hat man sich an einen einsamen - oft geheimen Ort - zurückgezogen und las dann den Brief – meist mehrfach, um dann sofort wieder eine Gegenantwort zu verfassen. Obwohl diese Freundschaften oft nur über dieses ganz spezielle Medium Brief existierten, waren es doch ganz besondere Momente, wenn man diese Briefe bekam oder verfasste.
Vor kurzem habe ich mir in einer spontanen Aufräumaktion die Schublade mit den Briefen vorgenommen. Ich stolperte tatsächlich auch noch über einige Briefe aus meiner Jugendzeit. Da gab es sogar eine Brieffreundin aus Japan! Und weil ihre Briefe immer auf ganz besonders schönem Papier geschrieben waren, habe ich sie aufgehoben. Ich habe schon immer eine große Schwäche für schöne Papiere. Die meisten anderen Briefe waren natürlich Liebesbriefe, die ich aufgehoben habe, um sie wieder und wieder zu lesen.
Briefe sind aus der Mode gekommen. Leider!
Denn Briefe haben dem Telefon doch so einiges voraus. Klar, sie hinken der Kommunikation zeitlich hinterher, aber das Telefon ist auch herrisch, aufbegehrend, laut und taktlos. Das Klingeln des Telefons zwängt sich in unser Leben, drängelt sich vor, ob es nun passt oder nicht. Da ist es ganz egal, ob man gerade isst, ein Bad nehmen möchte oder mit jemandem spricht.
Briefe hingegen können warten.
Heutzutage eine wirklich ungewöhnliche Tugend. Sie können warten, bis sie geschrieben und geöffnet werden, der Schreiber die richtigen Worte findet und sie warten auch auf den Leser, der einen Satz dreimal liest, bevor er im Text weitergeht.
Das Schreiben mit meinem Lieblingsfüller ist mir oft zu langsam geworden. Deshalb ist E-Mail natürlich eine großartige Erfindung. Mails lösen die meisten Briefe ab. Sie sind schneller und informeller und haben aber trotzdem viele Vorteile des Briefes behalten. Man kann sie gleich oder später öffnen, man kann sie mehrfach lesen und man kann sie behalten, indem man sie speichert. Natürlich ist das Schreiben am Computer weniger reizvoll, als vor einem schönen Papier oder Notizbuch zu sitzen. Schon allein der Geruch oder die Haptik von Papier lassen mein Herz persönlich höher schlagen, aber wir haben uns daran gewöhnt.
Und wenn es mit dem Wunsch, jemanden zu erreichen mal ganz dringlich ist, gibt es ja Whats App oder SMS statt der alten Telegramme...
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