03•02•2022 ••

Kabarett statt Konferenz – wie eine Managerin Erleuchtung fand

Im Januar haben wir uns mit der Kabarettistin Juliane Braun am Rande ihrer Show „Sinn und Sinnlichkeit 50plus“ über das Thema Erleuchtung unterhalten: Wie sie den Absprung geschafft hat - von der Managerin in einem großen Konzern zur Kabarettistin? Ob in ihren spirituell erleuchteten Bühnenfiguren auch Anteile ihrer eigenen Persönlichkeit stecken? Wie sie dazu kam, in ihrem Kabarett einen Striptease aufzuführen und wie man es schafft, sich nicht irritieren zu lassen, wenn das Publikum mal nicht an den erwarteten Stellen lacht …?

Foto links: Simon Katzer, Foto rechts: www.schall-fotos.de

​Auf deiner Website steht freie Kommunikationsberatung und Redaktion vornehmlich für den Bereich Licht. Und Yoga. Und dein Erleuchtendes Kabarett. Ganz schön vielfältig. Was davon liebst du derzeit am meisten?
Kabarett und Yoga, das sind meine Herzensthemen. Die Kommunikationsberatung und Redaktion ist mein Brotjob und eine ganz andere Welt. Aber ich mag Technik und die Menschen in der Elektrobranche. Einige kenne ich fast 30 Jahre! Yoga und mein Erleuchtendes Kabarett stehen für mich in einer engen Verbindung. Ich nehme auch Themen aufs Korn, die einem auf dem spirituellen Weg begegnen. Yoga ist für mich die Grundlage, um Präsenz auf der Bühne zu haben. Also gut mit meinem Körper verbunden und klar im Kopf zu sein. So kann ich ganz da sein – auch mit meinem inneren Kind, das einfach Spaß hat. 

Das Erleuchtete zieht sich durch deinen Lebenslauf. Was bedeutet für dich denn Licht?
Am wichtigsten ist mir der Weg zum inneren Licht.


Wenn ich mich jetzt auf die Bühne stelle, gebe ich mir die Erlaubnis, mein Licht leuchten zu lassen.


Das steckt an! Dadurch entsteht Resonanz mit meinem Publikum. Früher als Managerin habe ich auch schon mal vor 100 Leuten einen Vortrag gehalten und mein Bestes gegeben. Aber das war etwas komplett anderes – im dunklen Business-Anzug im Dienst einer Firma. 

 

Wie kamst du dazu, deinen sicheren Job als Managerin in einem großen, renommierten Konzern aufzugeben?
Das war ein schrittweiser Prozess. Die Position, die ich am längsten hatte, war PR-Chefin von Osram. Das waren 15 Jahre. Zwischendrin war ich fünf Jahre zusätzlich noch globale Werbeleiterin. Ich konnte viel gestalten, mit einem tollen Team, sehr cool. Dann kam die Finanzkrise. Als Managerin macht das wenig Freude: Du musst Budgets kürzen und engagierte Leute enttäuschen, denen du versprochen hast, ihnen einen festen Vertrag zu geben. Und auf einmal malst du fast nur noch Powerpoint-Folien für alle möglichen Chefs. Das war der Moment, wo ich die Werbeleitung freiwillig an eine andere Managerin abgegeben habe. Ich habe mich wieder auf die PR konzentriert. 

Dann kam eine große Veränderung im Unternehmen. Es gab eine Umstrukturierung für den geplanten Börsengang. Dabei wurden meine Aufgaben halbiert und mir ein zehn Jahre jüngerer Chef vor die Nase gesetzt. Ich hätte als „Mutter der Nation“ schön brav im Hintergrund weiterarbeiten können, mit dem gleichen Gehalt. Aber dann habe ich beim Bergsteigen in mich hineingespürt. Da wusste ich, dass mich diese Situation kaputt machen würde.


Auf dem Gipfel war mir auf einmal ganz klar: Ich muss jetzt den Mut haben loszufliegen, auch wenn ich überhaupt nicht weiß, wohin.


Danach habe ich meinen Mann gefragt, ob er hinter mir steht.

 

Du hattest keinen Plan, als du die Firma mit 49 verlassen hast?
Dafür hatte ich vorher den Kopf nicht frei. Ich war froh, dass ich mir eine Abfindung erkämpft hatte, aber dann war da eine große Leere. Ich habe mich gefragt: Wer bin ich, was will ich, was kann ich? Zum Glück kam bald eine erste Idee: Ich hatte Interesse an Körperarbeit und wollte eine qualifizierte Ausbildung machen, weil ich großen Respekt vor Professionalität habe. Beim Bundesverband der Yogalehrenden (BDY) habe ich eine vierjährige Ausbildung gefunden, die gerade losging – berufsbegleitend mit allem Drum und Dran: Körperübungen, Yoga-Philosophie, Didaktik und medizinische Grundlagen. 

Auch da hatte ich wieder so eine kleine Erleuchtung: Man muss als Yogalehrerin nicht aussehen wie ein Model. Am Anfang habe ich noch leistungsorientiert gedacht: Wenn ich nur genug übe, dann kann ich auch die ganzen coolen Sachen machen, die man auf Fotos sieht. Aber das Gegenteil war der Fall: Ich bin von Natur aus einfach nicht so beweglich, deshalb konnte ich auch keinen Spagat als Kind.


​Jetzt bin ich eine untypische Yogalehrerin, mache supersanfte Übungen und habe damit meine Schüler und Schülerinnen gefunden, die genau das mögen.


Dein Yoga nennt sich VIRAYOGA …
Ich habe es so genannt nach Virabhadrasana, der Heldenhaltung. Das klingt gut, die Website virayoga.de war noch frei und es hat eine schöne Symbolik: Stabilität, Klarheit und Tatkraft zusammen mit Herzöffnung und Demut. Es geht darum, den eigenen Körper wahrzunehmen so wie er jetzt ist. Ohne sich mit anderen zu vergleichen. Auf dem spirituellen Weg heißt das, auch Gedanken und Gefühle so zu sehen wie sie sind. Da ist man ja sozusagen auch mal allein bei Dunkelheit im Gestrüpp unterwegs. Dafür braucht man Heldenmut! 

Foto: Bethel Fath für Meins

Wie bist du zum Kabarett gekommen?
Ich habe immer gern ernste Rollen im Theater gespielt, schon im Gymnasium. Auch als ich Romanistik studierte und ein Stipendium in Frankreich hatte, war ich dort in einer Theatergruppe. Ich wäre allerdings nie auf die Idee gekommen, Schauspielerin zu werden. Ich hatte keine Künstler in der Familie, sondern Physiker und Ingenieure mit sicheren Jobs bei Siemens.

Während meiner Yoga-Ausbildung habe ich eine Werbe-Mail von der Volkshochschule für das Haus Buchenried am Starnberger See bekommen. Unter anderem für eine Woche Kabarett-Seminar. Weil ich Freiberuflerin war, gerade Zeit und viel Lust hatte, habe ich mich spontan angemeldet. Das Thema war Glück. Im Lauf der Woche bin ich immer am See entlang spaziert und habe mir zum Thema Glückskeks eine Geschichte ausgedacht. Am Schluss habe ich das aufgeführt und alle waren begeistert.


Und ich war überrascht, dass ich so eine lustige, kleine Rampensau in mir habe.


An mir sieht man, wie man jahrzehntelang in einer Schublade feststecken kann: Bei uns in der Familie war meine Schwester die Lebhafte und Lustige. Ich war immer eher ruhig und ernsthaft.  

Die Glückskeks-Nummer hat auch meinen Yogakolleginnen viel Spaß gemacht. Zur Feier unserer Abschlussprüfung habe ich meine bayerische Klangheilerin Uschi vorgespielt. Da haben sie so laut gelacht, dass sich die Patres im Kloster Benediktbeuern beschwert haben.

Wann bist du öffentlich mit deinem ersten Programm „Suche nach dem Glück 50+“ aufgetreten?


Foto: Simon Katzer

Als ich die Yogaprüfung geschafft hatte, war für mich klar, dass ich jetzt Kabarett machen will. Ich habe im August 2016 für den darauffolgenden Mai das kleine Hofspielhaus in München gemietet. Da hatte ich nur zwei Nummern und eine Vision. Die Theaterchefin meinte: „Okay, aber du musst wissen, was du tust und dann wirklich kommen!“ Erst danach ist mir eine Schulfreundin eingefallen, eine begnadete Pianistin und Komponistin, die auch gerade in einer Lebensphase war, wo sie Zeit und Lust hatte. Eine professionelle Regisseurin, bei der ich schon ein Kreativitäts-Seminar gemacht hatte, hat mir auch zugesagt. Dann habe ich mir weitere Figuren ausgedacht, Texte geschrieben und viel geprobt.


Die Premiere im Mai 2017 war ein voller Erfolg und alle vier Vorstellungen ausverkauft.


Wie hat dein Umfeld auf dein Vorhaben reagiert, Kabarettistin zu werden?
Mein Vater, der leider nicht mehr lebt, hätte sich sehr für mich gefreut. Meine Mutter, die auch musisch begabt ist, ist ein großer Fan. Aus meinem Freundeskreis und großem Netzwerk sind ganz viele gekommen. Mein Mann ist stolz auf mich, aber froh, dass er nicht mit den ganzen wilden Weibern aus meinen Programmen verheiratet ist. Er ist sozusagen mein Sponsor: Sein regelmäßiges monatliches Einkommen ist für mich als Freiberuflerin eine Sicherheit.

In deinem aktuellen Kabarettprogramm „Sinn und Sinnlichkeit 50+“ überzeichnest du die unterschiedlichsten Frauentypen 50 plus … Die Texte schreibst du selbst. Wie viel von dir steckt in den einzelnen Figuren? Etwa in Uschi, der Klangheilerin und Ayurvedatherapeutin … schließlich bist du ja auch Yogalehrerin?
Meine Inspirationen zu den Figuren kommen oft zusammen mit der Idee für ein Kostüm und dann werden sie immer lebendiger. Sie haben Anteile von mir, aber auch welche, die mir ganz fremd sind. Deshalb waren die Proben mit unserem neuen Regisseur so spannend, der auch an den Texten mitgearbeitet hat. Natürlich baue ich auch Geschichten ein, die ich gehört habe oder Beobachtungen von anderen.


In den letzten zehn Jahren sind mir jede Menge spirituelle Traditionen und Methoden über den Weg gelaufen. 


Es gibt ja viele Menschen wie meine Uschi, die meinen es sehr gut mit ihrem Angebot. Die haben ein großes Sendungsbewusstsein, aber wenig fundiertes Wissen und Erfahrung. Wobei meine Uschi ja wenigstens eine Ausbildung bei einem renommierten Ayurveda-Arzt in Indien gemacht hat ... Aber andere, die glauben nach ein paar Wochenend-Workshops als Heiler oder Lehrer qualifiziert zu sein. Die Leute machen eine oder viele schnelle Ausbildungen und haben eine tolle Webseite. Es gibt einfach einen großen spirituellen Supermarkt. Da sollte man schon genau hinsehen, wem man sich anvertraut! 

In deinem Kabarett ist ja auch ein Striptease eingebaut …, der dir sichtlich Spaß macht. Wie kommst du zu so einem guten Körpergefühl? Durch Yoga?
Neben Yoga habe ich Burlesque gebraucht, um einen besseren Kontakt zu meiner Weiblichkeit zu bekommen. Ich habe die gleichen Themen wie die meisten Frauen: Ich fand mich nie schön genug! Ich dachte zum Beispiel immer, ich bin eine Frau ohne sexy Busen, weil in meiner Familie alle anderen eine beeindruckende Körbchengröße haben.


Für mich war es jetzt an der Zeit, meinen kleinen Busen wertzuschätzen und rote Unterwäsche zu tragen – nach dem Motto: Besser spät als nie!


Mein Striptease im Kabarett ist Burlesque. Also ein stilvolles, kreatives Sich-Entblättern, das auch weiblichen Zuschauern Freude macht. Vor ein paar Jahren habe ich mit meinem Mann an Silvester zum ersten Mal eine Burlesque-Show gesehen. Da war ich total beeindruckt wie selbstverständlich und ästhetisch die Künstlerin die Fülle ihrer Weiblichkeit in Szene gesetzt hat. Ich habe dann recherchiert und das Vintage Dance Studio in München gefunden. Dort habe ich mich spontan zu einem Burlesque-Workshop angemeldet. Mit 56 kann man ja mal sagen: Jetzt mach ich das einfach! Da gab es eine Abschlussshow vor 200 Zuschauern in der Münchner Drehleier. Ich war die letzte Nummer nach einer wunderschönen jungen Frau – perfekter Busen, perfekte Tänzerin. Mein Mann hat gesagt, da kannst du doch nur verlieren. Und ich habe gesagt, dass es darum gar nicht geht: Meins ist Kabarett mit Tiefgang und Body Positivity! Aber natürlich war es schon eine Mutprobe, nicht nur als „Mephistola“, sondern mit meinem echten Namen aufzutreten. Ich habe beim Warten hinter der Bühne ganz schön gelitten! Aber das Publikum ist wirklich mitgegangen und ich habe tolles Feedback bekommen – auch von jüngeren Leuten. 

 

Die Kabarettszene ist ja immer noch sehr männerdominiert. Wie reagieren die Männer auf eine Anfängerin, noch dazu 50 plus?


Ich muss schon viel Überzeugungsarbeit leisten – in jedem Theater, in dem wir ein Engagement bekommen.


Zur großen Drehleier bin ich erst über die Burlesque-Show gekommen. Dadurch kannte mich die Chefin. Die Süddeutsche Zeitung hat zur Premiere des zweiten Programms groß über mich berichtet, nachdem ich den Journalisten über Jahre immer wieder informiert hatte. Das ist der Steinbock in mir, der hartnäckig dran bleibt und To-do-Listen abarbeitet. Bei Osram habe ich damals von einer Werbeagentur gehört: „Think Big!“ Das ist jetzt auch mein Motto. Deshalb bewerbe ich mich beim neuen Format im BR, „dreizueins“ mit Luise Kinseher. Das ist ganz neu mit zwei weiblichen Gästen und einem Mann. Sehr cool. Und da passe ich perfekt rein! Genauso wie in die „Ladies Night“ vom WDR!

 

Was war dein größter Erfolg bisher auf der Bühne?
Wenn ich das Gefühl habe, das Publikum geht mit, es fließt alles und ich gebe mein Bestes mit Leichtigkeit.


Was macht es mit dir, wenn du das Gefühl hast, da sitzt gegenüber so eine Wand?
Manchmal sehe ich nur wenige Zuschauer in der ersten Reihe, dahinter ein schwarzes Loch und bei der ersten Nummer lacht niemand. Dann kommt mein Sternzeichen Steinbock durch und ich mach einfach mein Ding. Ich bleibe in meiner Energie und höre nicht auf meine innere Kritikerin, die mir irgendwas einflüstern will. Da braucht es schon eine gewisse Robustheit und man darf nichts erwarten. Es gibt Stellen, da lacht das Publikum eigentlich immer, aber manchmal genau da nicht.


Und es gibt Leute, die sitzen mit todernstem Gesicht da und sagen anschließend, sie hätten sich köstlich amüsiert. 


Die Kulturschaffenden leiden ja besonders unter den Coronabeschränkungen und gehen jetzt auf die Barrikaden. Wie siehst du das? Wie hat sich Corona auf deine Arbeit als Kabarettistin ausgewirkt?

Ich finde es aktuell ungerecht, dass im Theater oder Kino mit Masken nur 50 Prozent Belegung erlaubt sind und in der Gastronomie ohne Masken 100 Prozent. Das zeigt, welchen Stellenwert die Kultur in unserer Gesellschaft hat. Ich habe allerdings gerade das Glück, dass wir in einem großen Theater mit Gastronomie spielen können. So hatten wir am letzten Samstag in der Drehleier mit immerhin 80 Zuschauern eine tolle Stimmung und ordentliche Einnahmen. 

Als das mit Corona losging – ein paar Monate vor meiner Premiere – war mir schnell klar, dass es eine große Krise wird. Ich habe geübt, möglichst flexibel zu bleiben und die Unsicherheiten zu akzeptieren. Eine wichtige fernöstliche Weisheit ist ja, dass sich sowieso alles permanent verändert – ob man will oder nicht. Wir haben die Zeit genutzt, um unsere Texte mehr auf den Punkt zu bringen, weiter zu proben, eine professionelle Website zu machen und eine CD und Videos aufzunehmen. Das hat sich gelohnt! Aber natürlich war es schon bitter, dass mir geplante Einnahmen einfach weggebrochen sind. Wenigstens habe ich mit Online-Yoga und als freie Redakteurin überhaupt noch was verdient. Für andere, die mit ihren Familien rein von ihrer Kunst leben müssen, war und ist es dramatisch. Da reicht auch die staatliche Unterstützung nicht. Die Maßnahmen passen oft gar nicht zur speziellen Situation der Solo-Selbständigen im Kulturbereich. Die vielen Individualisten haben leider auch keine so starke Lobby wie die Gastronomie.

 

Wenn eine erleuchtete Fee vorbeikäme und du hättest drei Wünsche frei, welche wären das?
Drei Wünsche sind aber viel … Also wenn es eine mächtige Fee ist, dann reicht mir einer: Dass sie noch mehr Menschen die Augen und die Herzen öffnet für das, was wirklich zählt auf unserem schönen Planeten.


Das klingt jetzt mega-idealistisch, aber es wäre doch schön, wenn immer mehr Menschen erfahren würden, was sie wirklich glücklich macht ...


Liebe Juliane, wir danken dir für dieses Gespräch!

Fotos: Verena Gremmer

Das Kabarett Sinn und Sinnlichkeit 50 plus könnt ihr am 3. und 12. Mai 2022 in der Münchner Drehleier sehen!

Hier geht´s zur Website von Juliane Braun >>

 

 


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Kommentare

Christina Schweizer
03•02•2022
Wunderbar über soviel woman-power zu lesen! Besonders der Wunsch an die Fee wird mich nachhaltig begleiten…
FTF, Sabine Fuchs
04•02•2022
Ja, die Power von Juliane ist ansteckend;). Ich kann das bestätigen. Lieben Gruß Sabine

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