21•09•2023 ••

FTF Die Buchstaplerin #29 – Apfelernte

Es gibt Dinge im Herbst, auf die ich mich so richtig freue. Dazu gehört die Apfelernte. Der wunderbare Duft der Äpfel setzt in mir Kindheitserinnerungen wach. Der Geruch von Omas frisch gebackenem Apfelkuchen, der erste Apple-Crumble an einem verregneten Sonntag und nicht zu vergessen, die Bratäpfel um die Weihnachtszeit. Corinne hat uns mit wunderbaren Büchern rund um den Apfel mal wieder verzaubert.

Der Apfel begegnet uns in der Literatur immer wieder: In der Bibel pflückt Eva einen Apfel vom Baum der Erkenntnis und wird mit Adam aus dem Paradies vertrieben. In Schillers Drama muss „Wilhelm Tell“ seinem Sohn einen Apfel vom Kopf schießen. Bei den Gebrüdern Grimm beißt „Schneewittchen“ in einen vergifteten Apfel. Und Martin Luther würde trotz Weltuntergang heute noch einen Apfelbaum pflanzen. Der Apfel gilt als Symbol des Lebens, der Liebe und der Fruchtbarkeit, aber auch der Macht, der Versuchung und der Sünde. Es ist auffallend, wie viele Äpfel und Apfel-Titel gerade auf den Tischen in den Buchhandlungen uns zum Zugreifen und Verköstigen einladen – ich habe schon eine kleine Apfelernte eingefahren und möchte sie mit euch teilen!

„In meinem kleinen Apfel,
da sieht es lustig aus:
es sind darin fünf Stübchen,
grad` wie in einem Haus.“


Ähnlich diesem bekannten Kinderreim erzählt Franziska Fischer in ihrem Roman „Unsere Stimmen bei Nacht“ (DuMont Verlag) von einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft im Berliner Südwesten: In der Villa von Gloria und Herbert haben sich sechs sehr unterschiedliche Menschen in einer WG zusammengefunden, denn für das Ehepaar ist das Haus nach dem Auszug ihrer Kinder zu groß und zu teuer geworden. Lebenskünstlerin und Tänzerin Lou mietet das letzte freie Zimmer und trifft dort auf den Musiker und Studenten Jay, den Chemieprofessor Gregor mit seiner Tochter Alissa, ihre Vermieterin Gloria, die ihre Mietgemeinschaft leidenschaftlich bekocht und auf Herbert, der eigenbrötlerisch ein Antiquariat im Erdgeschoss betreibt und sich mit der veränderten Wohnsituation nicht anfreunden kann. Alle haben kleinere oder größere Sorgen und Geheimnisse im Gepäck, die Lebensvorstellungen und Alltagsroutinen können unterschiedlicher nicht sein und doch raufen sich die sechs zusammen und aus der Zweckgemeinschaft wird eine Art Patchwork-Familie … Franziska Fischer erzählt in einem ruhigen, warmherzigen Erzählfluss berührende Alltagsgeschichten und zeigt uns, wie wichtig menschliche Begegnungen und die kleinen, feinen Momente für unser Leben sind!
Um „Das leise Platzen unserer Träume“ und ob wir gehen oder bleiben wollen, geht es in der Dreiecksgeschichte von Eva Lohmann (Eisele Verlag): Von einem Häuschen auf dem Land mit im Garten spielenden Kindern haben Jule und David immer geträumt. Nun wohnen sie zwar in einem Dorf, doch mit den gewünschten Kindern hat es nicht geklappt und David hat eine Geliebte in der Stadt – doch von Hellen hat Jule noch keine Ahnung. Jule spürt zwar, dass ihre Ehe bröckelt und David sich immer weiter von ihr entfernt, doch sie weiß nicht, wie sie damit umgehen soll. Hellen und Jule kommen abwechselnd zu Wort und erzählen von ihrem Leben, ihren Wünschen und Träumen, Sorgen und Nöten: Stadt oder Land, Kinderlosigkeit oder Mutterschaft, Ehe oder Unabhängigkeit? Als Hellen ein Treffen mit Jule arrangiert, kommen Steine ins Rollen und Wahrheiten ans Licht. Ist es nun an der Zeit sich zu verändern? Können Träume sich nicht im Laufe eines Lebens auch ändern? Sind die gängigen Lebensmodelle überhaupt noch zeitgemäß? Ein Roman, der wichtige Fragen, die uns alle angehen, stellt und Mut macht, auszubrechen und neue Wege zu gehen – denn „Das leise Platzen unserer Träume“ schafft Raum für neue Träume und Möglichkeiten!!

Wie schön, dass wir drei Exemplare von Eva Lohmanns inspirierendem Roman „Das leise Platzen unserer Träume“ auf Instagram verlosen dürfen – ein herzliches Dankeschön an den Eisele Verlag!!!


Sabine Gelsing erzählt in „Entzwei“ (Ulrike Helmer Verlag) die Geschichte von zwei unehelich geborenen Zwillingsschwestern, die nach der Geburt getrennt wurden, gleichzeitig ist der Roman ein Gesellschaftsportrait der BRD in den 50/60er-Jahren: Als Elisabeth ungewollt schwanger wird und dann auch noch Zwillinge bekommt, werden die kleinen Mädchen bei der Geburt getrennt: Helene wächst bei Vater und Großmutter auf einem Apfelgut in der Provinz auf, Alma hingegen kommt in ein katholisches Kinderheim, wo sie unter den brutalen Erziehungsmethoden der Nonnen leidet. Erst als erwachsene Frau erfährt Helene zufällig von ihrer Schwester, sie möchte Alma unbedingt kennenlernen und sich mit ihr verbinden – aber ist es möglich, nach so unterschiedlichen Lebenserfahrungen an das Gemeinsame anzuknüpfen? Sabine Gelsing erzählt fesselnd, warmherzig und mit viel Zeitkolorit über die Enge der Provinz, unerfüllte Wünsche und Sehnsüchte, über traumatisierende Erlebnisse unter dem Deckmantel der Kirche und über die Hoffnung, dass die „entzweite“ Seele wieder ein Ganzes wird. Eine tragische Familiengeschichte, die Prägung, Verwurzelung und persönliche Lebenswege auf wenigen Seiten in den Mittelpunkt stellt, ohne Tiefe und Authentizität vermissen zu lassen!
Um ein Garten-Tagebuch, das bei einer Trauerbewältigung hilft, geht es in Melissa da Costas „Apfeltage“ (Penguin Verlag; Übersetzung Nathalie Lemmens). Amande verliert bei einem Motorrad-Unfall ihren Mann und aufgrund des Schocks auch ihr ungeborenes Baby. Durch ihren großen Verlust traumatisiert, möchte sie sich von der Welt zurückziehen und mietet sich ein kleines, einsames Häuschen samt Garten in der Auvergne. Sie schließt sich ein, isst nur noch das Allernötigste, vermeidet jeglichen Kontakt und möchte mit ihrer Trauer allein sein. Eines Tages findet sie beim Stöbern den alten Gartenkalender von Mrs. Hughes, die vor ihr in dem Haus gelebt hat. Anhand dieser Aufzeichnungen macht sich Amande daran, sich um den verwilderten Garten zu kümmern und Hand in Hand mit den ersten Pflanzerfolgen findet die junge Frau langsam ins Leben zurück. Die Natur erdet und inspiriert Amande, der Ablauf der Jahreszeiten und die damit verbundenen Rituale geben ihr Kraft, von Tag zu Tag geht es ihr besser, sie blüht auf und findet den Mut für einen Neubeginn. Melissa da Costas erzählt sehr berührend und feinfühlig von einem Trauerjahr mit all seinen unterschiedlichen Phasen und der Rückkehr ins Leben – ein Mut machendes Buch, das die Kraft der Natur und der Freundschaft feiert und viel Lebensfreude vermittelt!!

Was ist ein „Apfelmädchen“?

Ja, was ist ein „Apfelmädchen“? Schon allein der Titel macht neugierig auf den schwedischen Debut-Thriller von Tina N. Martin (Blanvalet Verlag; Übersetzung: Leena Flegler). Kommissarin Idun Lind arbeitet in der Abteilung für Kapitalverbrechen in Nordschweden. Als eine Lehrerin brutal ermordet und martialisch inszeniert aufgefunden wird, müssen Frau Lind und ihr eigenwilliger Partner Calle Brandt herausfinden, was dahintersteckt und dabei kommen sie einer tragischen, schockierenden Familiengeschichte auf die Spur. Kurz darauf wird ein kleines Mädchen mit Diabetes entführt – hängen die beiden Fälle zusammen? Durch die Krankheit des Kindes beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem sich auch das Ermittlungsteam in Lebensgefahr begibt … Tina N. Martin erzählt vier Geschichten auf zwei Zeitebenen und sehr lange bleibt unklar, was die einzelnen Erzählstränge miteinander verbindet. Gegenwart vermischt sich mit Vergangenheit, schwere Kindheitstraumata kommen ans Licht und das ungleiche Ermittlungsduo gerät zunehmend unter Druck – mit ruhigem und trotzdem spannendem Erzählfluss konstruiert die Autorin einen cleveren, eindringlichen Krimi, der Lust macht auf weitere Fälle von Kommissarin Lind und ihrem Team. Wer nun wissen möchte, was es mit dem Apfelmädchen auf sich hat, und wer gerne intensive, skandinavische Thriller liest, dem kann ich die neue Reihe sehr empfehlen!
„Das große Buch vom Apfelbaum“ von Lars Baus und Holger Haag (Coppenrath Verlag) ist ein wunderschönes Sachbilderbuch für alle kleinen und großen Menschen ab 6 Jahren. Es vermittelt Wissenswertes rund um den Apfelbaum, indem man den Baum auf seiner Reise durch das Jahr begleitet: Im Frühling erstrahlt er mit seinen rosaweißen Blüten, er bekommt neue Blätter und Zweige, Insekten werden wieder munter und für die Vögel ist es an der Zeit, ein Nest zu bauen. Im Sommer blühen die Obstwiesen in prächtiger Vielfalt, an den Zweigen hängen viele kleine Äpfel, aber Schädlinge und Krankheiten können den Baum befallen. Im Herbst zeigt sich der Apfelbaum in bunten Farben und die Äpfel fallen reif zu Boden, der Duft von Apfelmus, Bratäpfeln und Apfelkuchen zieht durchs Haus. Im Winter liegt rund um den Baum noch etwas Fallobst, die Bäume müssen geschnitten und für das kommende Frühjahr vorbereitet werden. Das traumhaft illustrierte und detailverliebte Bilderbuch widmet sich dem Lebensraum Streuobstwiese und zeigt das faszinierende Zusammenleben von Fauna und Flora. Kindgerecht aufbereitet ist „Das große Buch vom Apfelbaum“ eine Bereicherung für alle Generationen und eine informative Entdeckungsreise in die Natur vor unserer Haustür!

One apple a day, keeps the doctor away


Neben der literarischen Bandbreite des Apfels ist selbstverständlich auch der kulinarische Aspekt nicht zu vernachlässigen: Ingolf Hatz und Julia Ruby Hildebrand versammeln in „Das große Buch vom Apfel“ (Christian Verlag) allerfeinste Koch- und Backrezepte von herzhaft bis süß. Die beiden laden uns zu einer Spurensuche zwischen Streuobstwiesen und biologischem Anbau im Alpenraum ein: Sie besuchen unterschiedliche Obsthöfe, präsentieren die Vielfalt der Apfelsorten, portraitieren Köchinnen und Köche und verwöhnen uns mit den leckersten Rezepten zu den einzelnen Mahlzeiten, aber auch zur Kaffeetafel oder für die Vorratskammer. Das Buch ist eine große Bereicherung für alle, die Äpfel lieben und die das beliebteste Obst der Deutschen in ihrer Küche einmal anders und neu verarbeiten möchten. Lust auf Apfel-Fenchel-Salat, Rote Bete-Apfel-Risotto, bretonische Galette, Huhn in Cidre, Käsknöpfle mit Apfelmus oder Apfel-Zimt-Knoten? Die traumhaften Fotos und spannenden Hintergrundinfos runden das wunderschöne Kochbuch gelungen ab – „One apple a day, keeps the doctor away“ lässt sich damit einfach umsetzen!!

„Ein im Herzen eines Apfels versteckter Kern ist ein unsichtbarer Obstgarten. Doch wenn dieser Kern auf felsigen Boden fällt, wird nichts daraus hervorgehen!“
Mit diesem inspirierenden Zitat von Khalil Gibran wünsche ich euch einen wunderschönen, bunten Herbst mit einer reichen Apfelernte – lasst es euch gut gehen!

Wir lesen uns!

Eure Buchstaplerin


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