
Going Grey Teil 2
Gleich zum Start unseres Blogs habe ich einen Artikel zu diesem Thema verfasst: “Should I Grey or should I not?“ Damals war ich mir einfach nicht sicher, ob ich diesen Schritt gehen will. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen und ein einschneidendes Krankheitserlebnis hat mein Leben verändert. Und somit auch mein Selbstverständnis über das, was mein Leben anbelangt.
Auch die grauen Haare, die ich damals eher als neuen Trend gesehen habe, sind inzwischen für mich kein Trend mehr, sondern eher ein Teil meines Selbst. Ein Teil, der zum gelebten Leben dazugehört.
Nur dass mich hier keiner falsch versteht: Dieser Artikel soll nicht dazu aufrufen, nicht mehr zu färben. Ich finde bei vielen Frauen gefärbte Haare wahnsinnig klasse, auch bei Uli, die allerdings immer noch sehr wenig graue Haare hat (ihr Vater war bis 70 dunkel), finde ich die dunklen Haare toll. Aber ich habe im vergangenen Jahr gespürt, dass es für mich nicht mehr passt, meine Haare zu färben.
Es kam mir vor, als würde ich einen Teil meines Selbst verstecken. Ein Teil meines Alters.
Gesellschaftlich werden graue Haare, auch wenn sie in den USA wirklich zu einem Trend geworden sind, bei uns in Westeuropa immer noch gerne mit dem Stempel „alternativ“ versehen. Aber “slightly greeny“ ist es in Amerika eben nicht mehr. Und auch ich habe keineswegs vor, mich nicht mehr zu schminken, und ich bin nach wie vor durchaus eitel. Wer sagt eigentlich, dass nicht-mehr-färben so viel bedeutet wie: „Jetzt habe ich meiner Weiblichkeit abgeschworen?“ Nein, ich fühle mich nur einfach echter, seitdem ich nicht mehr färbe. Eine Spur mehr Sabine. Eben Sabine mit 50 plus.
Transition, also Übergang oder Umbruch, so nennt sich auf Englisch das Rauswachsen der Haarfarbe. Und genau das ist für mich diese Zeit. Ich befinde mich im Umbruch. Ich bin nicht mehr jung, aber ich bin auch noch nicht alt. Und genau das spiegeln meine Haare jetzt wider. Ich kann endlich so sein, wie ich will. Ich will mich nicht mehr gesellschaftlichen Konventionen unterwerfen. Der Satz „Graue Haare machen älter“ mag ja richtig sein. Für mich ist genau das aber auch stimmig, denn ich bin ja nun mal älter. All die Energie, die ich zwischen 40 und 50 in mein vermeintlich jüngeres Aussehen gesteckt habe, habe ich jetzt für mich. Für neues Lernen, auch viel über mich. Ich schaue nach innen und halte es mit Sokrates:
„Der Schlüssel zum Wandel liegt darin, all seine Energie zu fokussieren, nicht das Alte zu bekämpfen, sondern daran, etwas Neues zu erschaffen.“
Grau ist für mich nicht nur eine Farbe, sondern es ist ein Ausdruck meiner Haltung. Grau werden hat mich frei gemacht, frei von dem, was andere Menschen sagen, andere Menschen von mir erwarten. Frei gemacht, nach zwei (!!) Wochen wieder den Ansatz oder mein Altwerden mit Haarfarbe zu überdecken. Damit ich als Frau niemanden mit meinem Alter belästige.
Seit ich meine Haare nicht mehr färbe, widersetze ich mich gewissen Erwartungen, die die Gesellschaft an Frauen stellt. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Deswegen ist das jetzt die perfekte Zeit, sich klar zu werden, dass ICH mich eben genauso lieben sollte, wie ich jetzt bin. Mit grauen Haaren und Falten.
Solange man kein Grau gemalt hat, ist man kein wirklicher Maler ...
... meinte Paul Cézanne. Es gibt ja bestimmte Ratschläge, was man tragen und wie man sich schminken sollte mit grauen Haaren. Mir ist das egal – ich trage das, was mir gefällt. Und ich schminke mich, wie ich mir gefalle. Ich habe einfach keine Lust mehr, irgendwelche Regeln zu befolgen. Wozu ich Lust habe, ist, mein Leben zu genießen. Und da sind jetzt meine Haare mit ihren 100 verschiedenen Farben der beste Ausdruck. Denn das Leben geht weiter, und manchmal gehe ich jetzt lieber zu weit als früher. Und das geht für mich eben wunderbar mit grauen Haaren und auch mit Falten. Denn „I just give a fuck“ auf alles, was die Gesellschaft von mir erwartet.
Und ich kann mich als Frau durchaus noch als Frau fühlen, auch wenn ich graue Haare habe.
Es gibt auf Instagram den Hashtag #grombre. Darunter findet man teilweise wirklich krasse Bilder. Oben schon ganz hell und unten noch dunkel. Das wollte ich wirklich vermeiden, irgendwie bin ich dazu dann doch zu eitel. Gott sei Dank habe ich einen Friseur, der diese „Transition“ mit mir gemacht hat. Eine Zeitlang habe ich noch mit Naturhaarfarbe meinen Ansatz gefärbt. Diese Farbe hat den Vorteil, dass sie sich rauswäscht und nicht rauswächst. Allerdings wurde das Braun bei mir irgendwann orange … Mein Friseur hat dann mit Strähnchen nachgeholfen. Meinen Ansatz zuletzt gefärbt habe ich letztes Jahr im März. Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich die blödeste Zeit überstanden habe. Allerdings hängt meine Wahrnehmung des Ansatzes auch stark vom Licht ab. Und meine Haare unter dem Deckhaar sind um einiges heller. So habe ich jetzt, wenn ich meine Haare hochbinde, fast komplett graue Haare. Wenn ich sie offen trage, ist meine neue Haarfarbe #grombre. Auf Pinterest haben wir einen ganzen Ordner angelegt mit Frauen, deren Haarfarbe grombre ist. Schaut doch mal vorbei, wie bunt Altwerden sein kann.
Und sollte ich irgendwann mal wieder Lust haben, meine Haare zu färben, dann werde ich das tun.
Denn es gibt ja viele Farben und das Leben ist doch herrlich bunt :) …
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