
Die Buchbotschafterin-Die Juli Buchtipps #4
Manja, unsere Buchbotschafterin, hat für uns zwei wunderbare Bücher ausgesucht. Es geht um Sehnsucht nach mehr. Sehnsucht nach mehr Leben. Aber auch der Sehnsucht nach dem Meer. Und wer hat die nicht immer mal wieder?
Zum sommerlichen Juli-FTF-Motto „Tanze und bewege dich – sei gut zu deinem Körper“ passt mein Buchtipp #1:
Tom Saller „Wenn Martha tanzt“, Ullstein 2018
„Es ist merkwürdig. In wenigen Minuten werde ich Millionär sein.“ So beginnt die Geschichte, die uns im Jahre 2001 der 25-jährige Student Thomas Wetzlaff erzählt, der gerade in New York bei Sotheby’s auf die Versteigerung eines wertvollen Notizheftes seiner Urgroßmutter Martha wartet. Dieses Heft ist neben Tagebuchaufzeichnungen gefüllt mit bisher unbekannten, einzigartigen Zeichnungen und Skizzen berühmter Künstler wie Wassily Kandinsky, Paul Klee oder Oskar Schlemmer – und wird Thomas an diesem Tag zu einem reichen Mann machen.
Nach und nach entblättert der Urenkel die abenteuerliche Lebensgeschichte von Martha, die 1900 in einem kleinen westpreußischen Ort in eine musikalische und unkonventionelle Familie hineingeboren wurde. Ihre besondere Fähigkeit, Töne sehen zu können, wurde gefördert, und als junge Frau landete sie schließlich in Weimar am frisch gegründeten Bauhaus, wo sie bei Gertrud Grunow Ausdruckstanz studierte und eine herrlich kreative Zeit verbrachte. Als das Bauhaus nach Dessau umziehen musste, kehrte Martha zurück in ihr Dorf mit einem Baby im Arm – Hedi – und heiratete den Nachbarsohn – nur aus Vernunft, nicht aus Liebe. Die hereinbrechende Zeit des Nationalsozialismus und der Krieg trafen auch Martha und ihre Familie hart. Sie musste zusammen mit Hedi fliehen, dabei wurden sie auf tragische Weise getrennt, nur ihren Rucksack konnte Martha bei Hedi lassen. Niemand in der Familie hat jemals wieder etwas von Martha gehört.
Diesen Rucksack fand Thomas bei seiner Oma Hedi, als er nach deren Tod ihr Haus ausräumte. Darin war das Notizbuch eingenäht, voller Originalzeichnungen der Künstler am Bauhaus, bei denen Martha als junge Frau studiert hatte, und für das Thomas nun bei der Auktion 43 Millionen Dollar erhält. Er kann es kaum fassen und willigt ein, den anonymen Bieter zu einem Abendessen zu treffen.
Mehr wird nicht verraten, nur, dass es diesem an rasanten Wendungen reichen Roman nicht nur gelingt, einen auf zwei Erzählebenen in die Familiengeschichte um Thomas‘ Urgroßmutter hineinzuziehen, sondern auch wie nebenbei die jeweiligen politischen und kulturellen Gegebenheiten sehr lebendig nachvollziehbar zu machen. Das Zitat von William Faulkner, das der 52-jährige Autor und Psychotherapeut Tom Saller seinem Debütroman voranstellt, wird hier auf unterhaltsame und spannende Art belegt.
„Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen.“
Wenn ich gut zu meinem Körper (und zu meiner Seele) sein will, dann fahre ich ans Meer.
Mein Juli-Bildband-Tipp #2 heißt also völlig logisch
„Meeresrauschen – Vom Glück, am Wasser zu sein“, Dumont 2017
Gleich eine ganze Gruppe von Autorinnen (und ein paar Autoren) hat sich ans Werk gemacht und nimmt uns mit auf eine Text- und Bilderreise zu den Meeren Europas: Ostsee, Nordsee, Atlantik und Mittelmeer.
Bewusst sind meistens besondere Orte und unbekanntere Ecken ausgesucht, die abseits vom Tourismus-Mainstream liegen – Lettische Strände, die Färöer Inseln oder die griechische Insel Zakynthos.
Mich als Nordlicht hat natürlich sehr gefreut, dass ich einige Wiedererkennungseffekte, z.B. bei der Kurischen Nehrung, der Nordspitze Dänemarks oder Sylt, hatte. Letzteres ist übrigens schön rau und düster fotografiert, dass man sofort glaubt:
„Norden ist, wo man trotzdem rausgeht.“
Viele andere Orte werden ebenfalls nicht nur sommerlich postkartenmäßig gezeigt, sondern es wird die Vielfalt der Landschaften zu allen Jahreszeiten präsentiert. Als Buchliebhaberin gefällt mir natürlich besonders gut, dass immer wieder Schriftsteller und Künstler erwähnt werden, die es an die Orte am Meer gezogen hat: Gerhart Hauptmann und Hiddensee, Claude Monet und die Alabasterküste der Normandie oder Wilhelm von Humboldt, der fand: „Die Kurische Nehrung ist so merkwürdig, dass man sie ebenso gut wie Italien oder Spanien gesehen haben muss, wenn einem nicht ein wunderbares Bild in der Seele fehlen sollte.“ Man kann in den reich bebilderten Texten schmökern, die mit einer gewissen fröhlichen Oberflächlichkeit eine große Bandbreite abdecken. Es werden kleine Fundstücke zum Thema Meer wie Appetithappen an den Anfang des Buches gestellt, es gibt eine Aktivitäten-Kategorie „Sachen machen“ und kurze Essays über die Bedeutung des Meeres für den Menschen, Interviews u.a. mit einem Flaschenpost-Experten oder einer Algen-Köchin (Brownies mit Algen?) und – was dann wieder eher an einen Reiseführer erinnert – auch Tipps für ganz besondere Erlebnisse. Ihr könnt aber auch diesen schön gestalteten Bildband einfach nur durchblättern und Ideen für eine nächste Reise sammeln oder eine Gedankenreise machen, um das „Meerweh“ zu stillen.
Meerweh stillen ...
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