Die Macht des Shitstorms
Heute geht es in Katarinas Konsumkompass um die Macht des Shitstorms:
Warum Adidas auf einmal keine Eier mehr in der Hose hatte und wir als Verbraucher dafür sorgten, dass letztere durch unser Kaufverhalten ein Branding bekamen.
Wir können mit unseren Kaufentscheidungen viel mehr bewegen, als uns klar ist. Selbst internationale Großkonzerne fürchten den Shitstorm - und vor allem dessen Folgen an der Kasse. Diese Macht sollten wir viel konsequenter nutzen!
Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Chefetage von Adidas noch immer ein Loch in den Bauch ärgert - gemeinsam mit einigen anderen großen Handelsketten hatte der Sportartikelhersteller aus Herzogenaurach angekündigt, seine Mietzahlungen für Läden aussetzen zu wollen, wegen des Corona-Shutdowns. Der darauf folgende Shitstorm war gewaltig: Die sozialen Medien waren voll von Boykott-Drohungen erboster potentieller Käufer*innen. Mal ganz abgesehen davon, dass Adidas etwas Pech hatte, vielleicht, weil viele Zeitungsartikel die betroffenen Firmen schlicht alphabetisch aufgezählt haben: Es hat funktioniert. Reumütig nahm die Firmenleitung den Plan zurück. Ergebnis: kein Geld gespart, und trotzdem ein ganz mieses Image ...
Ei, Ei, Ei
Eier von glücklichen Hühnern
seit 2004 gibt es eine EU-Verordnung, die regelt, wie Eier gekennzeichnet werden müssen. Seitdem muss jedes Ei, das in der EU vermarktet wird, einzeln beschriftet sein. Anhand einer Nummer können wir genau sehen, wo unter welchen Bedingungen das Ei gelegt wurde. Diese Regelung führte damals zu einer Revolution: Binnen kurzer Zeit verschwanden Eier aus Legebatterien aus dem Angebot! Und nicht etwa, weil ihr Verkauf verboten worden wäre: Das war in Deutschland erst ab 2010 und EU-weit ab 2012 der Fall. Die großen Supermarktketten listeten Käfigeier vielmehr deshalb aus, weil sie plötzlich wie Blei in den Regalen lagen. Sobald wir als Kunden ein transparentes System zur Verfügung hatten und damit direkt entscheiden konnten, fiel diese Entscheidung sehr eindeutig aus: keine Eier aus Legebatterien! 2004 kamen Käfigeier bei uns in Deutschland noch auf einen Marktanteil von rund 53 Prozent. Heute ist mehr als jedes zehnte lose verkaufte Ei in Deutschland ein Bio-Ei und immerhin jedes vierte Ei stammt von Freilandhühnern.
Hier könnt ihr checken, was auf euren Eiern steht.
Leider gilt diese kundenfreundliche Kennzeichnungsregelung nur für frische Eier.
Sobald das Ei verarbeitet wird, endet die Transparenz. Ob die Eier für mein Stück Käsekuchen aus der Bäckerei oder für die Eiernudeln zum Mittagessen nun aus einer Legebatterie irgendwo in der EU oder von einer grünen Wiese bei mir um die Ecke stammen, kann ich als Verbraucher nicht wissen. Schon wenn ein Ei gefärbt als Osterei in den Handel kommt, muss die Herkunft nicht mehr verzeichnet werden. Eine ärgerliche Gesetzeslücke! Einige Hersteller geben mittlerweile trotzdem freiwillig auf der Verpackung an, welche Eier sie verwenden - weil sie erkannt haben, dass sich Produkte MIT dieser Information besser vermarkten lassen. Auch hier hat unser Verhalten als Käufer*innen schon etwas bewirkt.
Die Albert-Schweitzer-Stiftung listet auf ihrer Webseite Firmen auf, die auf die Verwendung von Käfigeiern verzichten. Dort steht auch, was zum Einsatz kommt: Bodenhaltungs-, Freiland- oder Bio-Eier.
Auch der Lebensmittelriese Dr. Oetker hat gerade einen Internet-Wutanfall der Kundschaft erleben müssen:
Dr. Oetker und Titanoxid
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte zum Protest gegen die Verwendung von potentiell krebserregendem Titandioxid aufgerufen. Der Weißmacher steckt in Sonnencreme, Tabletten, Farben, Lacken, Kunststoffen, Gummi, Papier, aber auch in Mozzarella, Marshmallows, Kuchenverzierung, Kaugummi oder Zahnpasta, immer da, wo Lebensmittel glänzender und frischer aussehen sollen. In Frankreich ist das weiße Pigment mit der E-Nummer E171 seit diesem Jahr verboten.
Fast 45.000 Menschen haben Dr. Oetker über eine Foodwatch-Online-Aktion aufgefordert, auf die Verwendung dieses umstrittenen Zusatzstoffes zu verzichten – nun hat Dr. Oetker zum ersten April seine Produktion umgestellt und verwendet kein Titanoxid mehr in seinen Produkten. Protest funktioniert - die Industrie will uns etwas verkaufen. Und mit dem Internet haben wir ein Werkzeug in die Hand bekommen, das wir nutzen können, um unsere Unzufriedenheit zu artikulieren. Allerdings haben wir daneben ein noch viel wirksameres Mittel: unsere Kaufentscheidung!
Richtig einkaufen
Firmen nehmen wahr, wo wir zugreifen, und wo nicht.
Allerdings brauchen wir dafür auch die richtigen Informationen. Da wäre die Politik gefragt, mit Kennzeichnungsrichtlinien, die echte Transparenz schaffen, so wie bei lose verkauften Eiern. Bis dahin können wir beim Einkaufen genau hinschauen und im Zweifel direkt beim Hersteller nachfragen - jedes Produkt muss seiner Kundschaft eine Kontaktmöglichkeit auf der Verpackung bieten.
Vor allem aber sollten wir jene Firmen belohnen, die freiwillig für Transparenz sorgen.
Und Firmen meiden, die die Corona-Krise zum Anlass nehmen, um Regelungen auszunutzen, die nicht für sie gedacht waren. Neben Adidas waren das übrigens unter anderem auch H&M, Deichmann, Galeria Kaufhof und Puma.
Wenn ihr im Alltag unkompliziert und ohne schlechtes Gewissen konsumieren wollt, empfehlen wir euch Katarinas Buch. Und zum Weiterlesen Katarinas Blog.
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