13•06•2020 ••

Die Buchbotschafterin – Buchtipps #12

Danke Manja

Soooo ihr Lieben, leider leider müssen jetzt alle Fans der Buchbotschafterin ganz tapfer sein. Manja hat uns ein Jahr lang wundervolle, spannende und wertvolle Buchtipps gegeben. Mit dem #12 gibt sie uns vorerst ihre letzten Vorschläge für unsere schönsten Lesezeiten. Wir sind darüber wirklich traurig, weil wir schon immer sehr gespannt waren, was sie uns wieder Grandioses vorschlägt. Also genießet noch mal ihre beiden Vorschläge und vielleicht hat ja die eine oder andere noch Lust, ihr einen schönen Kommentar zu hinterlassen. Wir finden, das hat sie unbedingt verdient.

„Die langen Abende“ von Elizabeth Strout, Luchterhand Verlag, 352 Seiten 

Warum ist dieser Roman über Bewohner einer Kleinstadt in Maine so toll?

Warum soll man sich überhaupt mit der schrulligen pensionierten Mathelehrerin Olive Kitteridge befassen?


Warum gehen einem diese Geschichten sofort direkt ins Herz und Hirn?


Weil Elizabeth Strout eine der wunderbarsten zeitgenössischen Autorinnen auf diesem Planeten ist. Ihre literarische Fähigkeit, uns Menschen und deren Inneres nahe zu bringen, ist umwerfend. 

Bereits 2007 hat sie Olive Kitteridge dem Lesepublikum vorgestellt und dafür prompt den Pulitzer-Preis erhalten. (Die englischen Ausgaben heißen übrigens schlicht „Olive Kitteridge und „Olive, again“, die deutschen Titel mitsamt Buchcover-Gestaltung „Mit Blick aufs Meer“ und „Die langen Abende“ schielen leider viel zu sehr in die Unterhaltungsliteratur-Ecke.) Außerdem gibt es auch eine sehr sehenswerte Verfilmung als Miniserie mit Frances McDormand in der Hauptrolle.

Olive Kitteridge ist Anfang 70 und lebt schon ewig in Crosby an der rauen Küste Maines. Weil sie als Lehrerin Generationen von Schülern unterrichtet hat, kennt sie mindesten die Hälfte der Kleinstadtbewohner. Ihr Mann ist vor kurzem gestorben, ihr Sohn Christopher lebt mit Frau und Kindern in New York, sie haben nur wenig Kontakt. Olive Kitteridge ist nämlich eine ziemlich schwierige Person, sie stößt die Leute mit ihrer Ehrlichkeit oft vor den Kopf und wundert sich dann über deren Reaktion. Die meisten treten ihr mit einer Mischung aus Furcht und Respekt entgegen und gehen ihr am liebsten aus dem Weg. Allerdings hat sie aber ein großes Gespür für versteckte Sorgen und kann durch Nachfragen die erstaun­lichsten Geheimnisse offenlegen. Sie ist eine aufrechte Frau mit einer unbestechlichen Haltung. Und sie ist einsam. Da kommt der 74-jährige emeritierte Harvard-Professor und Witwer Jack Kennison gerade recht. Aber leicht wird es mit den beiden nicht. Allein vom Zusammenraufen dieser beiden alten Sturköpfe zu lesen, ist ein herrliches Vergnügen.


 Wie lebt man ein anständiges Leben? 


Diese Frage zieht sich als roter Faden durch alle Kapitel wie auch Olive Kitteridge selbst. Sie ist darin gar nicht immer die Hauptperson, sondern kommt manchmal nur ganz am Rande vor. So bekommt man ein ganzes Kaleidoskop an Lebensentwürfen und Lebenskatastrophen verschiedener Stadtbewohner präsentiert. Wenn man den ersten Roman kennt, gibt es die eine oder andere Wiederbegegnung, aber es ist kein Muss, ihn gelesen zu haben.

Es wird kaum eine Peinlichkeit des Älterwerdens ausgelassen und vor dem wahren Leben, auch wenn es oft hart und traurig ist, gibt es kein Entkommen. Besonders die Dialoge sind meisterhaft gebaut und stellenweise zum laut Loslachen. Oft hat man als Leserin nämlich einen kleinen Wissensvorsprung vor den Protagonisten und durch diese zusätzliche Ebene eröffnen sich ganz andere Wahrheiten.

Nach der Lektüre ist man ganz beglückt von dieser feinen Menschenkenntnis. Und eigentlich wünscht man sich, so eine wie Olive Kitteridge ganz in der Nähe zu haben.


„Bin im Garten“ von Meike Winnemuth, Penguin Verlag, 2019, 320 Seiten

Meike Winnemuth ist durch und durch eine Abenteurerin. Sie reiste mit einem Hauptgewinn bei Günther Jauch ein Jahr lang alleine um die Welt. Sie probierte aus, wie es ist, zwölf Monate lang immer nur das gleiche blaue Kleid zu tragen. Oder sie kauft sich ein 800 m2 großes Grundstück mit kleinem Häuschen darauf, das ganz nah an der Ostsee gelegen ist, um daraus einen Garten zu machen, und das, obwohl sie bekennende Großstädterin ist und sich selbst als „Pflanzentrottel“ bezeichnet. Sie will auch über den Sommer dort wohnen und sich möglichst selbst versorgen. An diesem Experiment lässt sie uns in ihrem neuesten Buch teilhaben. 


 „Bin im Garten“ 


ist aber alles andere als nur ein nach Monaten gegliedertes Ratgeberbuch für Leute mit Liebe zur Natur. Winnemuth beschreibt tagebuchartig vielmehr eine Art Lebens­reise durch die Jahreszeiten. Wir lernen, dass es weit mehr als nur die bekannten vier gibt. Sie spickt ihre Pflanzen-Recherchen und Garten-Gedanken mit Buchtipps, auch literarischen, was ich natürlich besonders nett finde. Sie reist begeistert zur Chelsea Flower Show nach London und feiert die exzentrischen Gartenliebhaber, die es auch manchmal etwas übertreiben mit dem Perfektionismus. Denn davon ist die Autorin weit entfernt. Dennoch geht sie dieses Garten-Projekt sehr gründlich an: Sie lässt den Boden analysieren, besorgt sich zwei Tonnen frischen Mutterboden, schaut YouTube Videos, befragt professionelle Garten-Experten und -Buchautoren ebenso wie ihre schleswig-holsteinisch wortkargen, aber freundlichen Nachbarn. Denn zu den Pflanzen gibt es immer auch Geschichten zu erzählen, die mit Menschen und deren Leben zu tun haben. 

So entsteht nach und nach ein prächtiger Selbstversorger-Garten frei nach Winnemuths Mantra: 


einfach machen, einfach machen, einfach machen.


Diese Mischung aus Impulsivität und Hartnäckigkeit und dazu eine große Portion Geduld, die sie zähneknirschend lernen muss, führen immer wieder auch zu Überraschungen. Das „Bedürfnis nach Vereinfachung und einem Reset“ ist herausfordernder als zunächst gedacht.

Und immer wieder schweifen ihre Gedanken in ihrem Gartentagebuch ab, denn das Werden und Vergehen der Blumen (und des Gemüses) lässt sie über das Leben an sich nachdenken. Was ist wertvoll? Warum ist es viel befriedigender, etwas mit den Händen gemacht zu haben, als Texte in einen Computer zu tippen. Winnemuth, Jahrgang 1960, ist Journalistin und Autorin („Ich habe von Hirngespinsten gelebt.“), und mit trockenem Humor beobachtet sie sich selbst beim offenbaren Sesshaft-Werden. 


„Heimat ist, wenn man’s merkt.“


Soviel für heute. Jetzt will ich endlich Winnemuths Buchtipp „Walden“ von Henry David Thoreau weiterlesen.


Liebe Manja, und wir sagen dir heute ein wirklich großes Dankeschön. Du hast uns ein Jahr lang mit wundervollen Buchtipps beglückt und es war uns wirklich eine Ehre, dich als unsere Buchbotschafterin bei uns zu haben. Und wer weiß ... ​♡Uli & Sabine

Kommentare

Ulrike Hartwig
13•06•2020
Das Buch„bin im Garten“ war mein Buch des Jahres 2019/20. ich habe es mindestens 5x gelesen und bin „Corona sei Dank“, selbst zur begeisterten Gärtnerin geworden! Ein absoluter Tipp!
Angelika
14•06•2020
Ich habe dieses Buch "bin im Garten" mir als Buchempfehlung gekauft und Anfang des Jahres gelesen. In einer trüben Zeit brachte es mich oft zum Schmunzeln und hat toll abgelenkt. Auch bei mir steht es auf der Liste: "unbedingt noch einmal lesen" und kann es nur wärmstens empfehlen. Liebe Manja, ich finde es sehr schade, dass Sie diesen Bereich nicht mehr machen werden. Habe die Buchempfehlungen immer gerne gelesen und bei meiner nächsten Auswahl eingesetzt. Ein herzliches Dankeschön dafür, bleiben Sie gesund und alles Gute. Herzliche Grüße Angelika
Manja Wittmann
15•06•2020
Sehr lustig, so ging mir das auch mit Corona und dem Garten! Das Buch lag schon seit einem Jahr auf meinem Stapel und jetzt war genau der richtige Zeitpunkt.
J. Leschka
14•06•2020
Hallo Manja, vielen Dank für die bisherigen Buchempfehlungen, ich habe die Bücher daraufhin fast alle gelesen und mich sehr gefreut, endlich wieder jemanden zu haben, der mir Bücher empfiehlt, die mich ansprechen.Schade, dass Sie aufhören! Alles Gute wünsche ich Ihnen. Herzlichen Gruss J. Leschka
Manja Wittmann
15•06•2020
Dankeschön! Das freut mich echt, wenn meine Buchtipps zu Lesefreuden geführt haben! Herzlichen Gruß zurück!
Uta Robbe
14•06•2020
Ach wie schade! Ich habe mich immer auf die Buchtipps gefreut und mir Leseappetit bei den einfühlsam und wortgewandt formulierten "Leckermach-Rezensionen" geholt.
FTF, Uli Heppel
16•06•2020
Liebe Uta, da geht es uns ganz genau wie dir. Wir finden auch, dass Manja das ganz wunderbar gemacht hat. ♡Uli

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